Predigt vom 8.10.2023 – Friedensnobelpreis

2023-10-08- 27._ So_i._J. – Friedensnobelpreis-23 Mt 21,33-44

 Liebe Schwestern und Brüder

Der Friedensnobelpreis ist in diesem Jahr an Narges Mohammadi aus dem Iran gegangen, an eine mutige Kämpferin der Aktion „Frauen. Leben. Freiheit.“ Man wird ehrfürchtig und schweigsam, wenn man aus einem sicheren Land wie dem unseren auf diese Menschen schaut, die bereit sind, für die Freiheit einen hohen Preis zu zahlen von brutaler Gefängnishaft bis zum eigenen Leben. Sie wollen nicht aufgeben.

 Was sagt dazu unser heutiges Gleichnis? Im Bild gesprochen ist der Gutsbesitzer der Schöpfer des, des Garten Eden. Die Winzer sind seine Verwalter auf der Erde, die Regierungen etc. Im Gleichnis vom Weinberg machen die Winzer, was sie wollen. Es sind vielleicht machtsüchtige Menschen, autokratische Regierungen wie im Iran und in zunehmend immer mehr Staaten. Sie leben ihren Egoismus, sie wollen nichts abgeben. Sie leben auf Kosten der anderen und vor allem des Eigentümers. Für ihren Egoismus prügeln sie und schlagen sie, morden sie sogar. Der Weinberg ist Symbol für die Schöpfung Gottes, für das Paradies Erde.

 

Den Menschen ist dieses Paradies anvertraut. Aber was haben sie auf Dauer daraus gemacht? Einen Planeten der Angst? Einen Planeten der Ungerechtigkeit, wo die einen immer reicher werden und die anderen ärmer? Wo jeder sich gegen den anderen behauptet? Ein waffen-starrendes Arsenal, in dem die einen ihre Freiheit, ihren Wohlstand und Reichtum verteidigen und die anderen ihre Macht, ihre Gewalt über viele Menschen? Und wenn dann Beauftragte des Weinbergsbesitzer kommen, also Propheten Gottes wie Jeremia, Jesaja oder Jesus von Nazareth oder in unserer Zeit Dietrich Bonhoeffer, Martin Luther King oder Mahatma Gandhi oder wie jetzt Narges Mohammadi, dann werden die kurzerhand ins Gefängnis gesteckt oder ermordet.

 

Was haben wir gemacht aus diesem Weinberg Gottes? Wenn ich diese Frage global stelle, dann kann ich nur in Schockstarre verfallen und tatenlos zusehen, was geschieht.

Ich bin in dieser Woche im Bergkloster Bestwig gewesen. Dort haben im Augenblick 15 Geflüchtete aus Äthiopien, Eritrea, dem Iran, dem Irak und Syrien Zuflucht gefunden. Ich weiß nicht, ob das Kirchenasyl ist; Jedenfalls warten einige auf ihre Termin, sind nicht sicher ob sie bleiben können oder abgeschoben, also wieder rausgeworfen werden.

 

Hanna Arendt die Philosophin hat von der Nacktheit der Flüchtlinge gesprochen. Das sind Menschen, die sind plötzlich ohne alles, weil sie aus allen Systemen herausgefallen sind, aus ihrer Kultur, ihrer Sprache, ihren Familien- und Freundeskreisen, aus ihren Beruf, ihrer Religion, ihrer Natur. Kann ich das nachvollziehen, dieses nackte Leben? Ich fühle mich ja schon ziemlich bloß, wenn ich mein Handy oder meinen Autoschlüssel verloren habe. Und diese Menschen: Sie werden hin- und hergeschoben als wären sie Amazonpakete.

 

Ich war in den letzten 25 Jahren einige Male in Ghana, habe dort unsere Krankenhaus- und Schulprojekte besucht. Zuerst hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich dachte, das Geld, das diese Reisen kosten, sollte ich besser direkt in die Projekte stecken. Aber die Menschen vor Ort luden immer wieder ein und sagten: Kommen Sie doch, unser Land braucht Botschafter. Und so war es: Richtig sprechen konnte man von einem Land erst, wenn man ihn von Du zu Du begegnete ist, wenn man es geschmeckt und gerochen hatte.

Sie reisen heute Nacht in den Libanon.

Die Bibel beschreibt es als ein wunderbares Land: „Die Bäume trinken sich satt, die Zedern des Libanon, die er gepflanzt hat; in ihnen bauen die Vögel Nester;“ Und heute? Haben die Bäume ja schon in Europa nicht mehr genug zu trinken? Sterben an den Dürrezeiten. Wie sieht das Leben aus im Libanon nach der furchtbaren Explosion 2020 in Beirut oder unter den Bedingungen, dass der Libanon gemessen an der Prokopfzahl der Einwohner die weitaus meisten Geflüchteten aufgenommen hat.

Wir brauchen Botschafter. Sie werden in den nächsten Wochen zu Botschaftern des Libanon. Denn wir müssen doch wissen, wie es in den verschiedenen Zonen des göttlichen Weinbergs aussieht. Amen.


2023-10-08 als pdf 

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