Predigt vom 1.10.2023 – Die Tischgemeinschaft Jesu

2023-10-01-25.So.i.J Die Tischgemeinschaft Jesu

Mt 21,28-32

 Liebe Schwestern und Brüder,

 Jesus muss sich mit dem, was er tut vor den höchsten Autoritäten der jüdischen Religionsgemeinschaft rechtfertigen. Die Hohen Priester und Ältesten des Volkes hatten ihn nämlich kurz vor diesem Evangelium in Frage gestellt und zu ihm gesagt: Mit welchem Recht tust du das, was du da machst? Sie wollten nämlich bestimmten, wer im Namen der Religion redete und handelte. Sie wollten schlicht und einfach die Macht behalten.

 Aber was machte Jesus denn anders?

Jesus zeigt uns immer wieder eine Kirche in Form einer Tisch-gemeinschaft, von der niemand ausgeschlossen wird. Durch die Dörfer des damaligen Palästina ging ein Riss. Die einen hielten sich für gottgläubig und nannten die anderen gottlos, hielten sich für gesetzestreu und beschimpften die anderen als gesetzeslos. Und wer mit den Gottlosen aß, den Zöllnern und Dirnen z.B., der machte sich selbst zum Ungläubigen, zum Gottlosen. Wer mit den Gesetzeslosen das Brot teilte, der wurde selbst gesetzlos. Jesus hat das pausenlos getan. Die Außenseiter der Gesellschaft, die Zöllner und Dirnen, haben ihn verstanden, fanden durch ihn ihre Würde zurück. Für die damalige hohe Priesterkaste war das ungeheuerlich, machte ihn untragbar.

 

Jesus stellt für seine Tischgemeinschaft keine Bedingungen. Er unterscheidet nicht nach Gut und Böse. Er gleicht aus. Er verlangt keine Buße, keine Reue, keine Wiedergutmachung, keinen Austritt aus einer anderen Religionsgemeinschaft. Er sagt gleichsam: Lass alles, was dich bedrückt, zu mir kommen. Mich interessiert nicht, was Du im Leben verkorkst hast. Mich interesseiert auch nicht, was Du Tolles vorzuweisen hast an Zeugnissen, Zertifikaten und Karriere. Mich interessiert allein deine Person. Das ist das Herzstück des christlichen Glaubens: Lasst uns gemeinsam sein und alles wird gut.

 

Wie geschieht das heute? Mit welchem Recht tut ihr das? Mit welchem Recht haben am 21. Sept. 2023 acht katholische Priester vor dem Kölner Dom gleichgeschlechtliche Paare gesegnet vor 500 Gottesdienst-besuchern? Nach Kirchenrecht ist das nicht erlaubt. Aber nach den Maßstäben Jesu? Wie sieht es da aus?

Ich schildere Ihnen mal, wie das konkret sich ereignet. Da kommt ein gleichgeschlechtliches Paar zum Pfarrer. Der eine ist evangelisch, der andere katholisch. Sie planen eine ökumenische Segensfeier. Der evangelische Pfarrer hat bereits zugesagt. Der katholische Partner möchte gern, dass seine Kirche auch vertreten ist. Er ist auf einem erzkatholischen Bauernhof aufgewachsen. Als er sich geoutet hat, haben ihn seine Eltern aus lauter Enttäuschung enterbt. Es begann für ihn eine Odyssee mit vielen Leiderfahrungen. Im Gespräch mit dem Pfarrer fällt der Satz: Ich kann doch nicht falsch geboren sein. Gott hat doch an mir keinen Fehler gemacht. Ich brauche es, dass Gott im Segen Ja zu mir sagt; und meine alten Eltern brauchen das auch, damit sie in Ruhe sterben können. Kann der Pfarrer diesen Segen verweigern, im Namen der Menschlichkeit?

 

Vor 60 Jahren hat es in unserer Kirche das 2. Vatikanische Konzil gegeben. Ich habe das so verstanden, dass man da Kirche neu denken wollte, nicht mehr als statischen Katholizismus, außer dem es kein Heil gibt. Man wollte Kirche vom Menschen her, also von der Frage her denken: Was braucht der Mensch, um heil, um ganz zu leben? Es geht immer wieder um die Frage: Kann ein römisch katholischer Christ seinen Glauben nur vermittelt durch die Kirche leben, also durch das Lehramt und die höchsten Autoritäten, bis nach Rom? Das ging ja in manchen Zeiten so weit, dass man den Gläubigen sogar vorschrieb, welche Bücher sie lesen durften oder welche auf dem Index standen. Und wer nicht an die biologische Jungfrauengeburt Marias glaubte, der riskierte exkommuniziert zu werden.

Oder hat auf der anderen Seite jeder Katholik sein eigenes Gewissen, seine persönliche Beziehung zu Gott? Wenn der oben erwähnte Pfarrer im Sinne seines Gewissens und der anthropologischen Wende des Konzils her denkt, dann konnte er den Segen nicht verweigern, auch wenn er dafür einen Verweis seiner Vorgesetzten und einen Eintrag in die Personalakte bekommt. Am 21. Sept. haben die höchsten Autoritäten unserer Kirche kaum etwas dazu gesagt und ich glaube auch keinen der acht Priester sanktioniert. Das zeigt, wie verunsichert alle sind. Ich glaube, es entsteht zur Zeit eine zweite Reformation.

 In der übernächsten Woche habe ich einen Vortrag zu 30 Jahre Hospizbewegung Rheda-Wiedenbrück, die ich damals mitbegründet habe. Damals haben wir oft Eucharistie in den Sterbezimmern gefeiert, also das letzte Abendmahl. Einmal kam eine Frau von 51 Jahren zum Sterben. Einen Tag vor ihrem Tod feierten wir das Mahl mit 15 Hospizmitarbeitenden. Als ich bei der Kommunion mit den Hostien rumging, wehrten zwei Gottesdienstteilnehmende ab: Wir nicht, wir sind evangelisch. Da hob die Sterbende ein letztes Mal mühsam den Kopf und sagte: „Das zählt jetzt nicht mehr. Schließt euch bitte nicht aus.“

Seitdem weiß ich, dass ich niemanden die Teilnahme am Geheimnis Jesu verweigern darf. Denn das war keine Anweisung vom Kirchenrecht, das kam von Gott selbst, um der Menschlichkeit willen. Amen.


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