Predigt vom 21.1.2024 – Wofür lebe ich ?

2024-01-21_3._ Sonntag_i._J._Wofür lebe ich?

Liebe Schwestern und Brüder,

Ruth Pfau, die 2017 im Alter von 88 Jahren verstorben ist, war eine deutsche Ordensschwester und Lepraärztin, die im hohen Maße dazu beigetragen hat, dass Lepra heute weitgehend unter Kontrolle ist. In Pakistan erhielt sie den Titel einer Nationalheldin, weil sie dort mit ihrem Team das Lepra-Problem bekämpft und nahezu beseitigt hat.
In einem Interview im deutschen Fernsehen wurde Ruth Pfau einmal gefragt: Wie sind Sie zu dieser Arbeit gekommen? Da hat sie erzählt, dass sie als junge Medizinstudentin in den 50-er Jahren diese Riesen- 20-Millionenstadt Karatschi in Pakistan besucht hat. Sie ging durch die Stadt und sah in elenden Slumgebieten zumeist unter freiem Himmel zahlreiche Leprakranken oft qualvoll sterben. Und sie sagte: Da hat es bei mir Klick gemacht und es schoss mir plötzlich durch den Kopf der Satz: „Dafür hat er mich also gemacht.“ Die Reporterin fragte: „Wer hat sie wofür gemacht?“ Ruth Pfau antwortete: „Na Gott, dafür hat er mich in die Welt geschickt, dass ich mich als Ärztin um diese Menschen kümmere.“
Ruth Pfau beschreibt hier, wie sie zur Menschenfischerin wurde, im Namen Gottes Menschen von der Straße zu fischen, zu holen, um ihnen ein Zuhause, Heilung zu geben.

Wofür hat Gott mich gemacht? Wann hat es bei mir Klick gemacht? Ist das, liebe Mitchristen, auch Ihre Frage? Wann hat es bei Ihnen hier in der Hegge-Gemeinschaft Klick gemacht und Sie haben gespürt, hier in diesem Bildungswerk ist mein Platz? Wann war so ein Klick bei Ihnen und Sie merkten, diesen Menschen liebe ich, Partnerschaft will ich eingehen, diese Familie gründen, diesem Beruf nachgehen…
Solche Klicks ereignen sich auch im Kleinen, im Alltäglichen… Irgendwann hat es doch bei Ihnen im letzten Jahr Klick gemacht und Sie haben gedacht: Ich muss wieder zur Fastenoase und mich einer Neuorientierung stellen.
Wenn ich wie Ruth Pfau solche Klicks aus dem Glauben deute, dann werden sie zu Anrufungen Gottes wie im heutigen Evangelium, und Jesus sagt: Komm mit, ich brauche dich als Menschenfischerin, als Menschenfischer. Es ist eine Frage des Glaubens, ob wir mit unserem Leben einer Platzanweisung Gottes folgen oder nur eigenen Interessen nachgehen. Und immer gehört dazu Mut, der auf Vertrauen gründet. Sie wissen ja auch nicht, wie diese 12 Tage hier verlaufen und was am Ende dabei rauskommt. Ebenso diese Jünger, sie gehen einfach mit und wissen gar nicht wohin. Sie haben nur ein Wort. Menschenfischer!
Also, er hat ja nicht zu Simon Petrus gesagt: Wenn Du mit mir gehst, dann wirst Du der erste Papst, oder zu den anderen, dann werdet ihr Priester und Bischöfe, meinetwegen vom Antiochien, Konstantinopel oder Jerusalem. Nein sie haben nur dieses Wort: Menschenfischer. Kann das nicht auch bedeuten: Ihr sollt mir helfen, dass diese so ungerechte Gesellschaft mit wenigen mächtigen Menschen da oben und so vielen elenden Menschen da unten endlich vermenschlicht wird? Helft mir, dass Menschen endlich beginnen, menschlich miteinander umzugehen. In allen Fasern seines Lebens ginge es diesem Jesus doch darum, Menschen zu begegnen, sie zu versöhnen, sie zu heilen, Trost zu spenden, Mut zu machen; bei dieser Vermenschlichung sollen sie ihm helfen und sollen wir einander helfen. Das ist der Klick, der uns immer aufs Neue erreicht.
Und wenn Jesus nach der Ermordung des Johannes seinen Weg beginnt mit dem Satz: Die Zeit ist erfüllt, dann kann das doch auch heißen: Es ist an der Zeit, es muss Schluss sein mit diesen Typen wie Herodes Antipas, der dem besten Menschen der damaligen Zeit, dem Täufer Johannes einfach den Kopf abschlagen lässt, Schluss mit den Statthaltern Quirinius in Syrien, Pilatus in Jerusalem, Schluss mit den modernen Autokraten Assad, Putin oder Trump, die einzig dem eigenen Narzismus, aber nicht der Menschlichkeit dienen.
Menschenfischer sein heißt für uns im täglichen Leben: Wenn wir auf allen Ebenen einander menschlich begegnen, dann sind es göttliche Begegnungen.
Und darum möchte ich am heutigen Tag der Weltreligionen schließen mit dem Gedicht eines Palästinensers, des 2008 verstorbenen Mahmut Darwisch, den man bis heute die Stimme seines Volkes nennt:

Wenn du dein Frühstück vorbereitest, denke an die anderen:
Vergiss nicht, die Tauben zu füttern.
Wenn du dich in Kriege stürzt, denke an die anderen:
Vergiss nicht die, die um Frieden bitten.
Wenn du die Wasserrechnung bezahlst, denke an die anderen:
Jene, die nur aus Wolken trinken können.
Wenn du in’s Haus zurückkehrst, in dein Haus, denke an die anderen:
Vergiss nicht die Menschen die in Zelten leben müssen.
Wenn du schläfst und die Sterne zählst, denke an die anderen:
An die, die niemals einen Schlafplatz finden.
Und wenn du deine Seele mit Wortspielen befreist, denke an die anderen: Jene, die das Recht auf Redefreiheit verloren haben.
Und wenn du an die weit entfernten Anderen denkst, denke an dich selbst:
Sag: Ich will eine Kerze in der Dunkelheit sein.


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