Predigt vom 1.11.2017 – Allerheiligen

2017-11-01 Allerheiligen 2017

Schifttext Mt 5,1-12

Thema: So schön wie hier kann es im Himmel gar nicht sein

Liebe Schwestern und Brüder,

„So schön wie hier kann es im Himmel gar nicht sein.“ So heißt das letzte Buch des großen Theater-, Film-, und Opernregisseurs Christoph Schlingensief, der 2010 im Alter von 49 Jahren starb. Es ist das Tagebuch seiner Krebskrankheit. „Nach der soundsovielten Chemotherapie war ich so schwach, dass ich lernen musste, einfach nur auf dem Sofa zu liegen und Gedanken zu denken. Und was sind das für quälende Gedanken? Wütende, trotzige, traurige, verzweifelte Gedanken?“  Manche von Ihnen, die in ähnlicher Lage waren oder Menschen darin erlebt haben, kennen dieses endlose Gedankenkarussell.

Christoph Schlingensief stellt sich Fragen: „Wer bin ich gewesen? Was kann ich noch werden? Wie weiterarbeiten, wenn das Tempo der Welt plötzlich zu schnell geworden ist? Wie lernen, sich in der Krankheit einzurichten? Wie sterben, wenn sich die Dinge zum Schlechten wenden? Und wo ist eigentlich Gott?“  Wie so viele Menschen verhandelt er dann mit Gott: Bitte lieber Gott, noch ein paar Jahre. Aber er weiß, sie sind ihm nicht gewährt. Und dann schleudert er ihm diesen Satz entgegen: „So schön wie hier kann es im Himmel gar nicht sein.“

 Ja, liebe Schwestern und Brüder, wir leben heute in einer Welt, da kann`s kaum schöner werden. So gut war`s in Deutschland noch nie. Die allermeisten Menschen habe genug zum Essen, zum Trinken, zum Anziehen. Viele können in Urlaub fahren in sehr ferne Welten sogar und im Winter leben wir in schönen warmen Wohnungen. Was soll denn da nach dem Tode im Himmel noch besser werden?

Die weitaus meisten Zeiten der deutschen Geschichte waren ganz anders. Da lebten 98 % der Menschen in bitterster Armut. Die Mütter wussten morgens oft nicht, was sie ihren Kindern mittags zu essen geben sollten. Seuchen wie die Pest waren allgegenwärtig, rafften oft ganze Dörfer hinweg. Das Leben war ein täglicher Kampf. Da war es erstrebenswert, in den Himmel zu kommen. Bis ins 20. Jahrhundert hinein war das so, z.B. auch in der Zeit Martin Luthers. Aber ob man in den Himmel kam, war gar nicht sicher. Zuerst kam man mit großer Wahrscheinlichkeit ins Fegefeuer und dann erst entschied sich, ob man endgültig in die Hölle oder in den Himmel kam.

Diese Ungewissheit trieb im 15. und 16. Jhdt. in der Zeit Martin Luthers die Angst auf den Höhepunkt. Man dachte, sich den Himmel mit ständigen Gebetsleistungen verdienen zu können, am Ende sogar durch den Ablass, den man kaufen konnte.  Ich kann mich noch erinnern, dass wir als Kinder glaubten, wir könnten Arme Seelen aus dem Fegefeuer retten mit Ablassgebet. Man ging zur Beichte, zur Kommunion vor Allerheiligen. Und wenn man dann sechs  Vater unser und sechs Ave Maria gebetet hatte, dann war man sich sicher, dass man eine Seele aus dem Fegefeuer für den Himmel gerettet hatte. Luther ist gegen diesen Leistungs- und Verdienstglauben massiv angegangen und hat verkündet: Entlastet ist der Mensch allein durch Glauben und der Himmel ist Geschenk Gottes.

Brauchen wir das heute alles gar nicht mehr: Himmel, Hölle, Fegefeuer?

Denn so schön wie hier kann es im Himmel gar nicht sein? Was bedeuten diese Begriffe eigentlich, Himmel, Hölle, Fegefeuer?

Fegefeuer ist kein Ort der quälend heißen Flamen, sondern nach der Bibel ein Reinigungsort. Es ist die Zone, zwischen uns und unseren Verstorbenen, wo wir etwas ins Reine bringen können. Als ich 18 Jahre alt war, da wurde mein Vater plötzlich aus dem Leben gerissen. Es war für mich wichtig, für ihn beten zu können, auch Ablassgebete in dem Sinne, sein Leben lassen zu können und meine Trauer auch, und meine Beziehung zu ihm endgültig ins Reine zu bringen, durch Gebet, durch Licht entzünden auf dem Friedhof und in der Kirche.

Und Hölle, das ist Leben in der Beziehungslosigkeit, im absoluten Egoismus. Menschen, die im Leben nur egoistisch und selbstbezogen waren, werden schmerzhaft erfahren, wie einsam  ein solches Leben macht. Und Himmel ist dementsprechend aufgehen in der ewigen Liebe.

So schön wie hier kann es im Himmel gar nicht sein? Viele Menschen haben in unserer Zeit Abschied genommen vom Glauben. Zumindest kommen doch 90 % aller Menschen, die auch hier in Weine leben, nicht mehr Sonntag für Sonntag zum Gottesdienst, wo wir Auferstehung feiern. Hat diese Hoffnung auf den Himmel ausgedient, oder ist das eine Fehlkalkulation? Irgendwann kommt doch für jeden die Endlichkeit in den Blick. Spätestens, wenn man wie ich, langsam auf die 70 zugeht, dann wird doch die „auf Widerruf gestundete Zeit sichtbar am Horizont der Zukunft.“ Und es fragt sich, was ist hinter dem Horizont. Hinterm Horizont geht es weiter, sang schon Udo Lindenberg. Für mich ist klar: Hinterm Horizont dieses Lebens kommt Christus auf mich zu, nimmt mich an die Hand und führt mich ans Ufer des endgültigen Friedens. Und dann ist es Himmel auch für uns Wohlstandsmenschen schöner, weil wir dann endlich Frieden haben.

„Gottes Welt,“ schreibt Bonhoeffer, „ist Friede, letzter Friede nach letztem Kampf, Heimat für die Heimatlosen, Stille für die Abgekämpften, Linderung für die gequälten Herzen, Tröstung für die Weinenden, Schlafendürfen für die Erschöpften.“

als pdf

als mp3

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.