Predigt vom 22.10.2017 – Geld

2017-10-22_ 29._Sonntag im_Jahreskreis_Predigt
Evangelium: Mt 22, 15-21
Thema: Geld

Liebe Schwestern und Brüder,
von der Sogwirkung des Kapitals, des Geldes, wird folgende Fabel
erzählt:
„Einmal haben zwei Jungen im Gebüsch einen Dachs entdeckt, der da
friedlich nach Würmern suchte. Als die Jungen ihn fangen wollten, lief
der Dachs fort. Sie verfolgten ihn. Als der Dachs in seinem Bau
verschwand, da griff ein Junge mit seiner Hand in die Höhe und schrie:
„Jetzt hab ich ihn, jetzt habe ich ihn, jetzt hab ich ihn.“ Dann aber
wendete der Ruf sich ins Gegenteil: „Oh weh, jetzt hat er mich, jetzt hat
er mich, jetzt hat er mich…“
Diese kleine Fabel wurde erzählt, um eine Aussage zu machen über den
Umgang des Menschen mit dem Geld. Es ist kein Problem, wenn einer
Geld hat, aber wenn das Geld ihn hat, dann wird es problematisch.

Auf die horrenden Ablösesummen im Fußball angesprochen, sagte
neulich der Freiburger Trainer Christian Streich in einem Interview: „Geld
wird immer mehr zum Gott, der dich vollkommen verschlingt. Das ist eine
Gefahr auch im privaten Leben. Lass dich von den großen Religionen
inspirieren, dass der Mammon dich nicht besitzen darf…“, sondern dein
Leben allein Gott gehört.
Im Evangelium dieses Sonntags sagt Jesus: „Gebt dem Kaiser, was des
Kaisers ist.“ Im griechischen Urtext steht für „Gebt“ das Wort Apodote.
Wörtlich übersetzt heißt das: „Gebt zurück, Gebt also dem Kaiser zurück,
was des Kaisers ist.“

Der kürzlich verstorbene Heiner Geißler deutet diesen Satz als Auffor-
derung an die Juden, das Geldsystem des Kaisers zurückzuweisen, sich
von der Währungshoheit der Römer zu lösen und zum ursprünglichen
Zinsverbot des Alten Testaments zurückzukehren, wo es heißt: „Du
sollst von Deinem Bruder keinen Zins nehmen, weder für Geld, noch für
Speise und anderes.“ Dtn 23,20
Geißler fragt, ob wir heute, 2000 Jahre später, nicht dieses Geldsystem
zurückgeben müssten, was sich als zutiefst krank erwiesen hat. Es sorgt
auf der einen Seite für unvorstellbaren Reichtum von wenigen Menschen
und auf der anderen für erbärmliches Elend von Milliarden.

Eine Dichterin, Petra Fietzek, sagt: Unser Problem in dieser Gesellschaft
ist nicht der Mangel, sondern die Überschüttung. Wir seien überschüttet
von Waren, von Geld, von Medien, von Daten, von pausenlosen
Beschäftigungen, von einer maßlosen Medien- und Freizeitindustrie, so
dass es nicht mehr möglich sei, das Wesentliche vom Unwesentlichen
zu unterscheiden und zum eigentlichen Sinn des Lebens zu kommen.
Wir seinen Opfer der Überschütterung. Ein Kollege von mir war viele
Jahre Internatsleiter. Er sagte: Meine Schüler sind Opfer des
Smartphones. Darum hatte er im Internat ein Handyverbot
ausgesprochen, um den Schülern diese pausenlosen Ablenkungen zu
ersparen. Die Folge war ein gnadenloser Protest der Eltern, weil die
genau andersherum dachten, dass nämlich ihre Kinder ohne Handy
keine richtigen Menschen seien.

Ich frage mich manchmal: Was bleibt eigentlich von mir, wenn diese
ständige Überschütterung wegfällt? Wenn ich also z.B. kein Geld mehr
hätte? Dann stelle ich mir vor, ich würde als Tourist in die Türkei
einreisen und an der Grenze plötzlich verhaftet, weil sie mir vorwerfen,
Kontakte zur Gülen-Bewegung in Deutschland zu haben. Ich fände mich
also plötzlich wieder in einer Zelle ohne jede Überschütterung, ohne
Handy, ohne Portemanais und Brieftasche, ohne Fernseher und Internet,
ohne meinen Haushalt und mein gewohntes Essen, ohne mein Bettzeug,
ja sogar ohne den Hosengürtel, ohne jede Freiheit. Wovon lebe ich
dann?

Kürzlich kam mir ein Brief in die Hände von Peter Steudtner, dem
Menschnrechtsaktivisten, Mtiglied von amnesty international, der im Juli
in Istanbul verhaftet wurde und seitdem im Gefängnis sitzt. Steudtner ist
überzeugter Christ, Mitglied der evangelischen Gethsemane-Gemeinde
in Berlin. 1989, bei der Wende, war die Gethsemane-Kirche Ausgangs-
punkt vieler Demonstrationen.
In einem Brief von 13. Oktober 2017 gibt Steudtner zu erkennen, wovon
er lebt, ohne all diese Überschütterung. Wörtlich schreibt er an seine
Freunde:
„100 Tage bin ich jetzt im Gefängnis. Das sind
100 Tage eure Kraft und Solidarität spüren über Gefängnismauern
hinweg,
100 Tage, fern von den Meinen,
Maschendraht über dem Hof,
Marathon laufen auf 5 x 7 Meter,
Videoüberwachung im Hof und bei Besuchen,
Wachet und betet und andere Andachten mit euch,
nur zehn Minuten alle zwei Wochen mit den Meinen telefonieren,
Alle vermissen
Unsicherheit, wie lange geht das noch so?
Fremdbestimmt, Unfreiheit
Aber Gedankenfreiheit.“

In der Getsemane-Kirche in Berlin ist jeden Tag um 18.00 Uhr eine
Andacht für Peter Steudtner und all die ungerecht Gefangenen. Wachet
und Betet heißen die Andachten wie bei der Ölbergsstunde von Jesus.
Darauf bezieht sich Peter Steudtner. Von dieser Solidarität mit Gott und
den Freunden lebt er.

Liebe Mitchristen, seien wir so frei, an diesem Weltmissonssonntag für
die Ärmsten der Armen von unserer Überschütterung abzugeben und
uns bewusst zu werden: Wir leben am Ende allein von unserer
Menschlichkeit und unserer Gotteszugehörigkeit. Amen.

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