Predigt vom 17.5.2020 – Du wirst nicht sterben

2020-05-17-6._Ostersonntag_Du_wirst_nicht_sterben

Liebe Schwestern und Brüder,

„Einen Menschen lieben heißt ihm zu sagen: Du wirst nicht sterben.“ So lautet ein Satz des französischen Philosophen Gabriel Marcel. Hätten wir uns das nicht alle gewünscht in den letzten Wochen dieser Coronazeit, dass da einer gekommen wäre und uns gesagt hätte: Du wirst nicht sterben. Oder vorher noch: Du wirst nicht krank. Aber so sicher kann das keiner sagen.

Stattdessen sind wir umgeben vom ständigen Wust von Pandemie-Nachrichten, von Angst und Panik vor einem Virus, den keiner sieht, und der doch überall lauern kann. Ungefähr 5000 Mal am Tag atme ich. Und ich habe es immer selbstverständlich getan, ohne darüber nachzu-denken, ohne dafür dankbar zu sein. Und jetzt kann es plötzlich etwas Gefährliches sein, was ich da einatme? Kein Mensch darf mich mehr anhauchen wie einst Jesus im Evangelium die Jünger, als er ihnen den Geist regelrecht ins Herz pflanzen wollte.

„Einen Menschen lieben heißt ihm zu sagen: Du wirst nicht sterben.“ Jeder Mensch weiß, dass zumindest unser Körper natürlich sterben wird.

Aber lebt danach etwas weiter? Möchtest Du das wissen, ob es ein Leben nach dem Tod gibt?

Ist unser Bewusstsein jenseits von Zeit und Raum, jenseits von Evolution? Oder geht unser Bewusstsein über die Schranke des Todes hinaus, behalten wir unsere Identität in verwandelter Form?

„Wenn es hier im Altarraum einen Knopf gäbe, der Dir sagen könnte, ob es ein Leben nach dem Tod gibt oder nicht, würdest Du ihn drücken?“ Ich könnte für mich sagen: „Nein!“

Gibt es ein Bewußtsein über unser Gehirn hinaus, das unsterblich ist? In allen Evangelien der Ostersonntage verbindet Jesus Unsterblichkeit mit Liebe. Es gibt eine Liebe, die wurzelt in Gott, und dieser Wurzelpunkt ist unsterblich? Die Bibel sagt, wenn ich das ganz fest glaube, dann kommt es auch so. Was ein solcher fester Glaube ist, habe ich mal auf einer ganz anderen Ebene erfahren. Wir hatten in der Bildungsstätte eine Bibelfreizeit mit Familien mit Behinderten. Dabei war auch Yannis. Yannis hatte keine Beine, keine Arme. Er bestand nur aus Rumpf und Kopf und lenkte seinen Rollstuhl mit dem Mund. Und trotzdem fuhr damit oft fröhlich und heiter durch die Gegend. Eines Abends fragt ich ihn mal: Yannis, wie kommst Du denn mit deinem Schicksal klar? Warum kannst Du lachen, trotz allem. Er hat geantwortet: „Meine Familie gehört zu den Anthroposophen. Wir glauben an Wiedergeburt. Und im nächsten Leben komme ich so auf die Welt wie Du, mit Händen, Füßen Armen und Beinen. Ich dachte: Oh Gott, Wiedergeburt, das geht für mich gar nicht. Ich möchte nicht 15033  Mal wiedergeboren werden, bevor ich endlich in Frieden bin. Aber Yannis glaubt das ganz fest, und dieser Glaube läßt ihn sein schweres Schicksal ertragen. Dann darf ich ihm das doch nicht in Frage stellen. Und weil Yannis das so fest glaubt, dann kommt es für ihn vielleicht auch so, wiedergeboren in ganzer Gestalt. Und es kann doch sein, dass es verschiedene Möglichkeiten vom Leben nach dem Tod gibt.

Ich denke,  für mich kommt da nicht Wiedergeburt, weil ich versuche etwas anderes fest zu glauben: Dass da nach dem Tod Jesus steht am anderen Ufer des Lebens, und meine verstorbenen Eltern und all die Freunde, die schon gegangen sind, und dass sich ein Band der Beziehung der Liebe neu aufbaut.

„Einen Menschen lieben heißt ihm zu sagen: Du wirst nicht sterben.“ Wichtig ist, dass wir eine Vorstellung von dem haben, was kommt, und dass diese Vorstellung uns immer innerlicher wird, indem wir sie täglich pflegen, z.B. durch einen Satz wie den der Emmausjünger: Bleib bei uns Herr, denn es wird dunkel in unsrem Leben. Im Jahre 1847 gab es in London schon einmal eine schwere Epedemie, die Tuberkulose. Der Anglikanische Pfarrer Henry Framcis Lyte hatte die Kranken gepflegt, und sich am Ende selbst mit Tuberkulose angesteckt. Wenige Tage vor seinem Tod hat er ein wunderbares Lied geschrieben, dass die Bitte der Emmausjünger kurz vor der Nacht des Todes aufgreift: Abide with me, Herr bleib bei mir, bleib bei dem, der so hilflos ist:

als pdf

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.