Predigt vom 21.5.2020 – Christi Himmelfahrt

2020-05-21_Christi_Himmelfahrt – Kopernikus

Der 27. April 1961 war der Tag, an dem ich meinen Kinderglauben verlor. An diesem Tag  kehrte der erste Mensch aus dem Weltall zurück, der russische Kosmonaut Juri Gagarin. Nach der Landung soll er gesagt haben: „Gott, den habe ich dort oben nicht gefunden.“ Heute weiß man: Er hat diesen Satz nie gesprochen. Er wurde ihm von der Propaganda der UDSSR in den Mund gelegt.

Ich war damals 11 Jahre alt und für mich war dieser Satz eine Riesenenttäuschung. Natürlich hatte ich in der Schule gelernt, dass vor mehr als 450 Jahren der Dompastor Nikolaus Kopernikus in Frauenburg im Ermland durch genaue Himmelsbeobachtung entdeckt hatte, dass die Erde keine Scheibe, sondern eine Kugel ist, die sich um sich selber dreht und mit einer Riesengeschwindigkeit um die Sonne kreist.                           Aber mein Glaube hatte dieses Weltbild noch nicht eingeholt. Es war so schön sich vorzustellen, dass der Himmel über der Erde ein Gewölbe ist, an dem die Sonne, der Mond die Sterne aufgehängt sind. Und dass über diesem Sternenzelt Gott wie ein guter Vater wohnt, der es auch gut mit mir meint, wie es in Schillers Ode an die Freude heißt. Kopernikus mag ja Recht haben, aber meinen kindlichen Glauben, dass Gott da oben ist, den macht er mir nicht kaputt.

Aber dann wurde ich als elfjähriger aus allen Träumen des Kinderglaubens gerissen: „Gott, den habe ich dort oben nicht gefunden.“

 

Vier Jahre nach Gagarin habe ich meinen Glauben wiedergefunden. Denn 1965 flog der Amerikaner Edward White mit Gemini 4 ins Weltall und unternahm den ersten Spaziergang eines Astronauten im Universum. Auch er wurde gefragt: „Sind Sie Gott da oben begegnet?“ Er hat geantwortet: „Gott, den habe ich dort gar nicht gesucht.“ Edward White war ein sehr gläubiger Mensch. Aber wo entdecken sie dann Gott? Die Antwort: „Am stärksten in meinen Ängsten.“ Man könnte sagen, getreu dem Sprichwort `Wo die Angst am größten, ist Gott am nächsten.` Wie er bei seinem Weltraumspaziergang durch eine Leine verbunden war mit dem Mutterschiff, so fühlte sich Ed. White im gesamten Leben über eine unsichtbare Nabelschnur in jeder Lebenslage mit Gott verbunden. Mit diesem Glaubebn konnte ich etwas anfangen, Gott zu finden in mir selbst, in meinen Ängsten, Hoffnungen. Tragisch ist, dass er bei den ersten Tests für die Mondflüge 1967 in der Kapsel von Apollo 1 mit  zwei anderen Astronauten auf furchtbare Weise durch Verbrennung zu Tode kam.

 

Liebe Mitchristen, Himmel im christlichen Sinn der Bibel, das ist kein Raum im blauen Äther über mir, sondern eine seelische Wirklichkeit, die jetzt schon einen Platz in mir hat. Himmel, hat Papst Benedikt mal formuliert, heißt: Gott hat Platz in mir und ich habe Platz in Gott. Graf Dürkheim, der Psychotherapeut und Zen-Lehrer drückt es so aus: „ Das Himmelsauge ist uns eingepflanzt, wir müssen lernen, es zu öffnen.“ In den Zeiten der Betriebsamkeit nehmen viele Menschen nicht wahr, dass das Himmelsauge auf dem Grund ihrer Seele darauf wartet, geöffnet zu werden. Aber jetzt, in diesen Coronazeiten, da so vieles anders ist, stellt sich vielleicht die Frage: Was ist eigentlich der Grund meines Lebens, und welches Ziel hat mein Leben? Gibt es eine Wirklichkeit, die das Virus nicht erreicht, eine, an die nicht einmal der Tod heranreicht? Vor einigen Jahren war ich am Bett eines sterbenden Menschen. Und seine Frau fragte ihn: Dieter, was soll denn jetzt nur aus dir noch werden. Der Mann sprach kein Wort, er gab die Antwort auf seine Weise. Er machte eine Bewegung, und die ging so: (Geste nach oben). Das war sein Zeichen für Himmelfahrt, nicht ein Düsenstart in die Wolken, sondern Verwandlung in die ewige Liebe hinein. Er konnte das so glauben, weil er das Himmelsauge immer schon gepflegt und geöffnet hatte, täglich in Dialog war mit Gott im Gebet, wenigstens für einige Minuten.

 

Das Himmelsauge lebt in Dir,
Gottes heller Widerschein.
Zeig der Welt, was Liebe ist,
weil du selbst gesegnet bist.

Das Himmelsauge lebt in Dir,
wird Deiner Schwäche Kraft verleihn.
Zeig der Welt, was Hoffnung ist,
weil du selbst gesegnet bist.

Das Himmelsauge lebt in Dir,
wird dich von der Angst befrein.
Zeig der Welt, was Glaube ist,
weil du selbst gesegnet bist.

Das Himmelsauge lebt in Dir,
will Wunden heilen, Schuld verzeihn.
Zeig der Welt, was Gnade ist,
weil du selbst gesegnet bist.

Das Himmelsauge lebt in Dir,
wo die Menschen sich entzwein.
Zeig der Welt, was Frieden ist,
weil du gesegnet bist.

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