Predigt vom 1.4.2018 – Ostern

2018-04-01_Osternacht – Mk 16, 1-7

Mit dem Rücken an der Wand

Liebe Schwestern und Brüder,

kennen Sie die „Mit- dem- Rücken-an-der-Wand-Stehen-Situation“, jenes Erleben also, da Du nicht mehr weiter weißt und buchstäblich mit dem Rücken an der Wand stehst. Mir ist dieser Begriff begegnet, als ich neulich im Radio eine Frau von einem Besuch bei Samuel Koch erzählen hörte. Samuel Koch ist jener junge Mann, der im Dezember 2010 in der Sendung „Wetten Dass“  versuchte, mit Sprungfedern an den Füßen über 5 fahrende  Autos zu springen. Ein Sprung ging schief. Millionen haben es gesehen.

Seitdem ist Samuel Koch Tetraplegiker, d.h. der ganze Körper ist gelähmt bis hoch zum Kopf. Die Monate auf der Intensivstation waren die Hölle. Sein Kopf war fest verschraubt in einem Fixiergerät. Obwohl seine Familie ständig am Bett stand, machte sich eine unglaubliche Einsamkeit in ihm breit. In dem Gespräch im Radio sagte Samuel Koch: „Und trotzdem war „in dieser mit dem Rücken an der Wand Situation“ eine Gewissheit, dass ich nicht ganz tief fallen kann, dass da noch etwas ist, was mich trägt und hält. Der Glaube hat mich getragen. Trotz allen Zweifel, die natürlich auch immer wieder sich in mir ausdehnten.“

Offensichtlich war es dann für ihn wie ein kleines Fest der Auferstehung, als man ihm schließlich den Luftschlauch zog, ihn auf den Balkon schob, er frische Luft genießen konnte, sein Blick auf den nahen See fiel und auf die schneebedeckten Berge im Hintergrund.

Die „Rücken an die Wand Situation“, wie schnell kann es dazu kommen. Plötzlich ist ein naher Mensch verstorben, oder schlimmer noch, der Partner ist mit einer anderen durchgebrannt. Du erfährst, der eigene Sohn konsumiert illegale Drogen; die Ehefrau verliebt sich in den Nachbarn; der Arzt stellt Dir die Diagnose: Es sieht ganz schlecht aus mit deiner Krankheit. Oder Du gerätst unverschuldet in einen finanziellen Ruin. Es bedarf nur eine kleine Wendung im Leben, und Du stehst mit dem Rücken an der Wand.

Mit dem Rücken an der Wand standen auch jene Frauen, die sich am Ostermorgen auf den Weg zum Grab Jesu machten. Dieser grausame Foltertod ihres Meisters hat ihr Leben völlig versteinert. Das war für sie alles so hart so, mächtig wie dieses Felsengrab, in das man in Israel die Toten begräbt. So verschlossen war plötzlich ihre Seele, zugemauert mit einem dicken Stein, den keiner wegräumen kann. In diese Trauer findet niemand einen Zugang. Wir alle kennen das:  Es gibt trauernde Menschen, die leben viele Jahre in solchen Versteinerungen und kommen da nicht raus. Da helfen wie in unserer Ostererzählung nur Menschen, die wie Engel sind und die immer wieder ihre Seele berühren. Und es hilft Gott, der – wie alle Ostergeschichten erzählen – allein in die Tiefen und Abgründe ihrer Seele vordringen kann.

Samuel Koch beschreibt das. Seine Eltern, die Familie, Freunde waren für ihn die Engel, die ihn nie aufgegeben haben. Und Gott trat ein in seine Seele, so dass er später im Radio sagen konnte: Für mich ist der Glaube kein Sahnehäubchen mehr, das sonntags dazu kommt oder nicht; für mich ist der Glaube eine lebenserhaltende Maßnahme.

Auf den Satz: „Das geht nicht“ regiert Samuel Koch allergisch. Er sagt Diesen Satz „das geht nicht“ höre ich fast täglich. Ich jedenfalls habe ihn  aus meinem Leben gestrichen. Wenn man Urvertrauen hat, geht mehr, selbst in den Rücken-an der Wand Situationen.

Kann man tiefer beschreiben, was Ostern meint. Nichts ging mehr für die engsten Freunde Jesu, für die Frauen, für die Jünger. Nichts. Und dann? Was die Ostergeschichten in traumhaften Bildern legendenumwoben beschreiben, meint doch ein innerseelischen Ereignis. Da berührt Gott plötzlich verzweifelte Seelen.

In seinem Testament schreibt der kürzlich verstorbene Kardinal Lehmann: „Was ich gegen Ende meines Lebens feststellen muss, ist die Tatsache, dass wir uns viel zu sehr in die diesseitige Konsumwelt vergraben und verkrallt haben. Auch ich. Ich bitte Gott und die Menschen dafür um Vergebung. Die wirkliche Erneuerung und der innere Friede des Menschen können nur aus der Begegnung mit Glaube, Hoffnung und Liebe erfolgen.“

Liebe Mitchristen, irgendwann stehen alle Menschen vor der dunklen Wand des Todes. Seit Ostern ist das keine gnadenlose Wand, keine mit dem Rücken an der Wand Situation mehr, seit Ostern hat diese Wand eine Tür, und das Leben hinter dieser Wand ist viel spannender als das davor. Seit Ostern ist das Wort „Das geht nicht“ abgeschafft. Denn es geht viel mehr, selbst im Tod, weil mit Gott alles geht.  Und darum ist Ostern die absolute Aufforderung: Verkrallen wir uns nicht zu sehr in diese Konsumwelt, leben wir unseren Glauben nicht als Sahnehäubchen höchsten am Sonntag, sondern täglich als lebenserhaltende Maßnahme. Dann wird er uns auch tragen durch die dunkle Wand des Todes in das eigentliche Leben. Amen.

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