Predigt vom 26.3.2023 – Fünfter Fastensonntag

2023-03-26_5.Fa.-So.

Misereor

Joh 11,1-45

Liebe Schwestern und Brüder,

Sag mir, was wiegt eine Schneeflocke?“ fragte die Tannenmeise die Wildtaube an einem schönen Wintertag. „Nicht mehr als nichts!“ gab die Taube zur Antwort. „Dann muss ich Dir eine wunderbare Geschichte erzählen“, sagte die Meise. „Ich saß auf  dem Ast einer Fichte, dicht am Stamm, als es anfing zu schneien. Nicht etwa heftig im Sturmgebraus, nein, lautlos und ohne Schwere, wie im Traum. Da ich nichts Besseres zu tun hatte, zählte ich die Schneeflocken, die auf die Zweige und Nadeln meines Astes fielen und darauf hängenblieben. Genau 3.741.952 waren es. Als die 3.741.953.  Flocke niederfiel – nichts mehr als ein Nichts wie du sagst-, brach der Ast.“ Damit flog sie davon. Die Taube, seit Noahs Zeiten eine Spezialistin in dieser Frage, sagte sich nach kurzem Nachdenken: „Vielleicht fehlt ja nur eines Menschen Liebe zum Frieden in der Welt.“ Weiterlesen

Predigt vom 19.3.2023 – Vierter Fastensonntag

2023-03-19_4._Fa.So.

Das Wesentliche sehen

Joh 9,1.6-9.13.34-38

 

Liebe Schwestern und Brüder,

Das Stück „Wilhelm Tell“ von Friedrich Schiller, spielt in der Schweiz vor 600 Jahren während der Freiheitskriege. Wir kennen zumeist die Szene, wie der Landvogt Gessler von Wilhelm Tell verlangt, seinem Sohn mit der Armbrust einen Apfel vom Kopf zu schießen. Der Schuss gelingt, der Pfeil trifft den Apfel. Aber in dem Stück gibt es auch den blinden Heinrich, der im Krieg sein Augenlicht verloren hat. Über ihn dichtet Schiller:

„O eine edle Himmelsgabe ist

Das Licht des Auges – Alle Wesen leben

Vom Lichte, jedes glückliche Geschöpf –

Die Pflanze kehrt freudig sich zum Lichte,

Und er, der Blinde, muss sitzen,

fühlend in der Nacht, in seiner Finsternis

denn leben und nicht sehen

Das ist ein Unglück.“

Die jetzt bald im Frühling explodierenden Farben, wenn das Auge sie nicht sehen könnte, was würde uns entgehen. „Leben und nicht sehen, das ist ein Unglück.“ Weiterlesen

Predigt vom 5.3.2023 – Zweiter Fastensonntag

2023-03-05 2. Fasten-So

Ein Glanzaugenblick – Berg der Verklärung

Mt 17, 1-9

Liebe Schwestern und Brüder,

Rose Ausländer, die jüdische Schriftstellerin, die in den 30-er und 40-er Jahre, in der Bukowina sowohl von dem russischen NKWD wie auch von den Schergen der Nazis verfolgt wurde, scheint mir dieses Evangelium von der Verklärung auf dem Berg sehr genau verstanden zu haben. Diese mutige tapfere Frau schreibt in einem kleinen Gedicht:

„Vergiß Dein Nein

Ich weiß

es sind nur Augenblicke aus Apfelglanz,

die Jahre sind finster.

Aber der Glanzaugenblick

lebt länger als ein Jahr. Weiterlesen