Predigt vom 08.06.2025 Pfingsten – Geburtstag der Kirche

Liebe Schwestern und Brüder,

Pfingsten ist der Geburtstag der Kirche. In der letzten Woche haben wir den Todestag von Winfried Bonifatius gefeiert, der vor 1300 Jahren wesentlich von England aus Deutschland missioniert hat. Vor mehr als 80 Jahren schrieb der Jesuit und Widerstandskämpfer Alfred Delp mit gefesselten Händen aus den Kerkern der Gestapo: „Deutschland ist wieder Missionsland geworden.“

Passend dazu ist 2024 ein Buch erschienen von Tobias Haberl, einem Journalisten der Süddeutschen Zeitung. Es heißt: „Unter Heiden.“ Er beschreibt darin, dass er immer noch seinen Glauben als katholischer Christ praktiziert, nicht immer, aber doch meistens sonntags in die Kirche geht. Er wird dafür verspottet von vielen seiner KollegInnen. Er sagt, ich bin umringt von Menschen, die, wenn es um Glauben geht, nur noch an Missbrauch, Vertuschung, Kreuzzüge und Hexenverbrennung denken. Sie sprechen von Kirche „nur als dem Verein da.“ Moderne Heiden nennt er diese Menschen.

Haberl beklagt, dass die strahlende Seite des Christentums nicht mehr gesehen wird, die Schönheit der Rituale, der Trost, die Hoffnung, die die Kirchen einer verunsicherten und atemlosen Zeit im 21. Jahrhundert zu geben haben. Diese Zeit braucht dringend die Wiederherstellung des Zusammenhangs zwischen Gott und dem Guten, den die Kirchen leider oft selbst verdunkelt haben.

Die „Heiden, die ihn umzingeln“, sagen: Für meine Fragen brauche ich keine Religion. Alle meine Fragen kann ich googlen und finde Antworten bei Wikipedia. Dann frage ich sie: Und die Frage, warum du lebst, warum du stirbst? Hilft dir da Google auch? Diese Menschen brauchten dringend Trost, eine Umarmung, und was bekommen sie: Schnelles Internet.

Und dann nennt Haberl einen entscheidenden Unterschied: Er sagt, der moderne Mensch will befriedigt werden, der gläubige Mensch will erlöst werden. Überall geht der moderne Mensch hin, damit man seine Wünsche sofort befriedigt, ins Kaufhaus, in den Urlaub, selbst zum Arzt, zum Therapeuten und ins Krankenhaus: Sofortbefriedigung. Erlösung aber ist etwas ganz anderes, dass ich nämlich mit meinem Leben zu leben lerne, dass ich damit zufrieden bin und am Ende sagen kann. Ich habe mein Leben gelebt und ich habe es in Geschwisterlichkeit und Verantwortung gelebt.

Dafür nennt er ein eindrucksvolles Beispiel. Im Jahre 2015 bekam der muslimische Schriftsteller Navid Kermani den Friedenspreis des Deutschen Buchhandles in der Frankfurter Paulskirche. Am Schluss seiner Dankesrede forderte Kermani die sichtlich irritiere Festgemeinde zum Gebet aufzustehen. In den Tagen davor hatte der islamische Staat in Syrien ein Kloster überfallen und unter anderem einen christlichen Pfarrer, den Kermani kannte, als Geisel entführt. Kermani sagte: Wir wollen den Terroristen ein Bild der Geschwisterlichkeit zwischen Muslimen und Christen entgegenhalten. Jeder solle zu seinem Gott beten und die an gar nichts glaubten, sollten ihre Wünsche in den Äther senden.

Ich erinnere mich an diese Aktion Kermanis, die gesamte deutsche Kulturschickeria mit einem Gebet zu überrumpeln. Viele waren richtig verunsichert, wussten nicht wohin mit ihren Händen, ihren Blicken, traten von einem Bein auf das andere. Kermani betete sehr innerlich, nahm seine Hände vor das Gesicht. Als er sie wieder löste, sah man Tränen in seinen Augen. Dann schloss er seine Dankesrede. Die Leute wußten nicht, was sie tun sollten. Applaus kam nur ganz zögerlich.

Die Kommentare am anderen Tag in der Presse überschlugen sich, reichten von höchster Ergriffenheit bis zu einem „unerträglichen Übergriff.“ Heute wird immer wieder Toleranz gefordert, man müsse alle Standpunkte gelten lassen. Aber kann man andere Standpunkte gelten lassen, wenn man zuvor nicht seinen eigenen Standpunkt deutlich gemacht hat? Kermani hat zu Allah gebetet, aber gerade deshalb hat er die Wege anderer zu Gott akzeptiert.

Das ist doch genau Pfingsten. Menschen verschiedener Kulturen und Sprachen sind versammelt und werden von einem gemeinsamen Geist ergriffen. Sie behalten ihre Verschiedenheit, aber sie beginnen plötzlich einander zu verstehen. Das ist doch genau die Aufforderung die Navid Kermani und der Heilige Geist der Christenheit dieser Zeit einflößen: Versteckt euch nicht länger mit Scham und Vertuschung, trete ans Licht der Öffentlichkeit, bekennt euch klar zu euren Fehlern, und zeigt dann die Strahlkraft eures Glaubens, die von Trost, Hoffnung, Erlösung und einem Sinn weit über die Grenze des Todes hinaus.

Das empfiehlt der Süddeutschen Tobias Haberl den Christen dieser Zeit: Trete nicht aus, tretet auf, trete nicht aus der Kirche aus, sondern tretet auf mit euren Ideen, bringt euch ein mit euren Sehnsüchten, Träumen und eure Kritik.


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