5.So.-i.J. Joh 13,34f
Liebe Schwestern und Brüder
Ein Kind besuchte jeden Tag einen Steinmetz in seiner Werkstatt. Der war dabei, aus einem großen Stein eine Skulptur zu schaffen. Das Kind fragte den Steinmetz: Was machst Du da? Der antwortete: Das ist mein Geheimnis. Am nächsten Tag kam der Junge wieder und sah, dass der Stein schon sehr bearbeitet war und fragte den Künstler. Warum machst den Felsen denn kaputt? Ich mache ihn nicht kaputt, ich hole aus dem Stein nur heraus, was in ihm steckt, antwortete der. So ging das viele Tage und Wochen weiter. Das Kind verstand den Steinmetz nicht und der berief sich immer wieder auf sein Geheimnis. Am Ende war die Skulptur fertig, und in der Werkstatt stand majestätisch die Figur eines Löwen. Da kam das Kind wieder, stand vor der Skulptur und fragte den Künstler: „Woher wusstest Du denn, dass da ein Löwe drin steckte.“ Und der Bildhauer erklärte: Ich habe mich einfach in den Stein hineinversetzt, ich habe mit ihm gearbeitet und ihn lieben gelernt und irgendwann entdeckt: Dieser Stein ist ein Löwe.
Liebe Mitchristen, am Donnerstag, dem 8. Mai starrten Millionen von Menschen auf den Schornstein in Rom, aus dem weißer Rauch aufstieg.
Sie fragten sich: Wer steckt darin, wer komm da gleich raus als neuer Papst. Und es kam heraus ein Leo, zu deutsch, ein Löwe, Leo der XIV, man könnte im deutschen auch sagen Löwe XIV. Weiß Gott, unsere Kirche, diese Welt braucht einen Löwen, einen Löwen der Liebe, einen des Friedens. Liebet einander ist das Gebot des heutigen 5. Ostersonntags, Liebe ist die Charakteristik des Petrusamtes. Simon Petrus, fragt Jesus, liebst du mich, mehr sogar als andere? Dann weide meine Lämmer. Zu dieser innigen Christusliebe gehört heute tatsächlich Löwenmut. Leo, der Löwe.
Mich erinnert diese totale Christusliebe an einen anderen, den man vor mehr als 80 Jahren den Löwen von Münster nannte, Kardinal von Galen.
Aus tiefer Christusliebe bewies er in seinen Eutanasiepredigten in der Lambertikirche in Münster Löwenmut, den Nazis zu widerstehen und musste ziemlich sicher damit rechnen, dass sie ihn verhafteten. Der mutige Glaube der Menschen des Münsterlandes hat das wahrscheinlich verhindert. Am 6. August 1941 sagte Bischof Galen z.B.: „Wenn man den Grundsatz aufstellt und anwendet, dass man den unproduktiven Menschen töten darf, wenn also der Mensch nur ein Lebensrecht hat, wenn er leistungsfähig, dynamisch und erfolgreich ist, dann wehe uns allen, wenn wir alt und altersschwach werden.“ Das sind doch Sätze, die Papst Franziskus in seiner Enzyklika Tutti fratelli ähnlich gesagt hat: Ein mörderisches Wirtschaftssystem vernichtet die Schwächsten der Schwachen und die Schöpfung Gottes.
Aber da gab es noch ganz andere Menschen, Millionen Menschen, deren Namen niemand kennt, die Löwenmut aufbrachten allein aus Liebe. Da war z.B. im 1941 die Putzfrau in einer psychiatrischen Klinik in Münster, die sah auf dem Schreibtisch des Klinikdirektors eine Liste mit etlichen Namen von Patienten der Klinik, die in die Gaskammern nach Hadamar verschickt werden sollten. Die Putzfrau schrieb des Nachts die Listen heimlich ab und gab sie einer Ordensschwester. Die Ordens-schwester schlich sich auch des Nachts heimlich unter das Fenster des Bischofs und warf so lange Steinchen an sein Fenster, bis der Bischof öffnete. So kamen die Euthanasiepredigten des Bischof von Galens ins Rollen. Viele tausend Menschen wurden dadurch gerettet, durch den Mut des Bischofs, aber auch durch die Schwester und die Putzfrau. Vom Bischof reden heute alle, keiner von der Putzfrau.
Die Aussage des heutigen Evangeliums ist: In uns allen steckt ein Löwe. Wir wissen es oft nicht. Unsere Ängste, die Minderwertigkeitskomplexe sind uns viel bekannter. Auch der, der sich heute Leo nennt, war mal ein schüchterner Junge. Selbst der Löwe von Münster schreibt von sich, dass er als junger Mensch eher ein Angsthase war. Aber sie ließen sich herausfordern in ihrer Bescheidenheit von denen, die ihre Liebe brauchten. Und dann stellen die Menschen, die wir später mit Löwenmut kennen, irgendwann in der Biographie ihres Lebens fest, dass es in ihren Innern einen Edelstein gibt, und dass ist die von Geburt an eingesenkte Gottesliebe, der Seelenfunken, von dem Meister Eckhard spricht. Davon sagt Theresa v. Avila: Alles vergeht in dieser Welt, unsere Hochhäuser, unsere Autos, die Supermärkte, die Krankenversicherungen, die gesamte europäische-amerikanische Kultur, alles vergeht, aber die Gott eigesenkte Liebe besteht, sie allein ist unsterblich. Was wäre unser Dasein ohne diesen Osterglauben. Das Entscheidende in unserem Leben ist schon passiert. Wir sind schon geliebt, wir sind schon erlöst. Dieser Edelsteinglaube gibt uns Menschen auch in der Alltäglichkeit die Kraft als Alternative zum Hass die Liebe, zum Egoismus die Solidarität und zur Gleichgültigkeit das Engagement zu leben.
Ein hochkarätiger Theologe schrieb in diesen Tagen: „Mit Papst Leo betritt einer die Bühne, der den versammelten Autokraten auch ohne Divisionen entgegentreten wird und eines jedenfalls kann: Ihr Tun als das zu bezeichnen, was es so oft ist: Menschenverachtend.“
Diese Erwartung an den neuen Papst ist so lange zu hoch, als wir Christen ihm nicht beistehen mit dem Löwenmut Christi, der auch in uns steckt und damit den alltäglichen Autokraten entgegentreten. Amen