Lukas 4,1-13
Liebe Schwestern und Brüder,
diese Rassel habe ich vor etlichen Jahren einem vielleicht 12-jährigen Jungen in Ghana abgekauft. Dort gibt es wie in vielen Ländern Afrikas das Problem, dass Eltern ihren Kindern sagen: „Wir können dich nicht mehr ernähren, schlag dich allein durchs Leben.“ Mädchen landen dann oft in der Prostitution, Jungen in Straßenbanden, oder – wenn sie klug sind – entwickeln sie wie der Hersteller dieser Rassel kreative Fantasie. Dieser Junge stand an einer der ehemaligen Sklavenburgen, die heute an der Westküste Afrikas touristische Attraktionen sind, sammelte dort die Kronkorken von den Flaschen der Touristen auf und bastelte solche Rasseln davon. Ich habe ihm diese abgekauft. Ich wunderte mich, als ich sah ich, dass da Bibelstellen drauf standen, z.B. Johannes 14,6. Ich fragte den Jungen: Weißt Du denn, was da steht? Klar antwortete er: „Da steht, dass Jesus sagt, `Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.´“ Die zweite Stelle lautet: Exodus 14,14. „Und was steht da?“ fragte ich. Er antwortete: „Als das Volk Israel vor dem Roten Meer stand und große Angst hatte unterzugehen, hat Mose ihm Mut gemacht mit dem Satz: „Gott kämpft mit uns.“ Der Junge erzählte mir, dass er die Bibel so gut kannte, weil sie das einzige Buch war, mit dem er in der Schule Lesen gelernt hatte. Und was bedeuten ihm gerade diese beiden Stellen? Er sagt: „Ich habe keine Freunde mehr. Sie haben mich in der Bnde verprügelt und rausgeworfen. Jesus ist mein einziger Freund, und Gott kämpft doch auch mit mir. Wenn ich bete, dann merke ich das.“
Liebe Schwestern und Brüder, dieser 12-jährige hat durch seine Lebenserfahrung erkannt, was ganze Theologiereihen so klar nicht ausdrücken können, dass Gott sich in Jesus auf die Seite der verlorenen Menschen geschlagen hat und mit ihnen gegen die Teufel, die diaboloi, die Durcheinanderwirbler dieser Welt kämpft. Heute zeigt das Evangelium, wie er selbst von einem Teufel, einem Durcheinander-wirbler in seinem Mensch- und Gott-Sein versucht wird.
Der Teufe hat drei große Versuchungen parat: Erstens die durch grenzenlosen Besitz, zweitens die durch absolute Macht über andere und drittens die durch Ruhm und Anerkennung. Jetzt werden Sie sagen: Genau das haben wir in den letzten Wochen gesehen: „Milliardäre üben die grenzenlos Regentschaft des Geldes aus, der Mächtige demütigt den Anführer eines geschundenen kleines Kriegsvolkes bis in den Boden; und drittens geht es den Großen nur um das eigene Ansehen durch Unterwerfung anderer.“ Ja das kann sein. Aber so denkt die Bibel nicht. Sie prangert nicht an. Sie richtet sich vielmehr an jeden Einzelnen von uns. Sie möchte, dass wir die Jesuskraft in unserem eigenen Leben entdecken wie der 12-jährige an der Sklavenburg Elmina. Die Jesuskraft ist Auferstehungskraft. Bonhoeffer führt weiter: Auferstehungskraft ist Widerstandskaft. Denn Jesus ist auferstanden als „Jesus für andere“, und Christsein muss immer heißen „Christsein für andere.“
Wir haben keinen Zugriff auf die großen politischen Mächte und die Wirtschaftskräfte, aber unseren eigenen kleinen Lebenskosmos können wir schon beeinflussen. Mit der Jesus- Widerstandskraft können wir durch den Supermarkt gehen und Versuchungen widerstehen, uns informieren, wer für unsere Konsumgüter in den Ländern der Armut betrogen wurde, die Stimme erheben, wenn wir diskriminierende Äußerungen hören, viele kleine Hilfen leisten, uns für die MISEREOR-Aktion dieser Fastenzeit interessieren und sie unterstützen.
Die Kraft für diese Auferstehung, für diesen Aufstand, für den Widerstand holte sich Bonhoeffer aus der Ergebung in Gott hinein (Widerstand und Ergebung), aus dem Gebet wie so viele der Martyrer des Dritten Reiches wie aber auch Mandela u.v.m. bis hin zu unserem 12-jährigen vom Stamm der Ashanti in Westafrika. Jesus selbst gibt uns dazu das Vater unser an die Hand mit der täglichen Bitte: „Und führe uns nicht Versuchung.“ Viele Bibelausleger sagen heute, gemeint sei: Führe uns in der Versuchung, gib uns in der Versuchung Orientierung, dass wir sie loslassen können, nicht von ihr dominiert werden.
Wir dürfen nicht in Angst erstarren in dieser so unsicheren, bedrohlichen und orientierungslosen Zeit. Wir haben die Jesuskraft, Angst in Mut zu verwandeln. In einem meiner liebsten Kirchenlieder heißt es: „Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können (auch) das Angesicht der Erde verändern.“