Predigt vom 26.1.2025 – Bleib gesund

2025-01-26-3.Sonntag i.J. Bleib gesund

Lk 1,1-4;4,14-21

Liebe Schwestern und Brüder,

wenn Sie heute von der Fastenoase nach Hause fahren, wie verabschieden Sie sich dann? Leb wohl, auf Wiedersehen, bis demnächst, Tschüss…? Vor drei oder vier Jahren in der Coronazeit wurde allgemein zum Abschied gesagt: Bleib gesund!

Das höchste Gut ist die Gesundheit!? Dieser Satz wird auf der Feier hoher Geburtstage heutzutage ständig kolportiert.

Der Psychotherapeut und Theologe Manfred Lütz weist darauf hin, dass der Gesundheitskult in unserer Gesellschaft geradezu religiösen Status angenommen hat. Er schreibt, auch schon vor Corona sei der Wert der Gesundheit weitaus wichtiger gewesen als der der Religion. In seinem Buch Lebenslust bringt er dazu folgende Beispiele:

Unsere Vorfahren bauten Kathedralen, wir bauen Kliniken.

Unsere Vorfahren machten Kniebeugen, wir machen Rumpfbeugen. Unsere Vorfahren retteten ihre Seelen, wir retten unsere Figur.

Unsere Vorfahren warteten im Advent auf die Ankunft des Herren Jesus. Patienten in der Uni-Klinik warten auf die Ankunft des Herrn Chefarztes, der mit einer Heerschar von Engeln in Weiß zur Visite kommt.“

Das Glück, das Heil erwarteten die Menschen viel mehr von ihrer Fitness als von ihrem Glauben. Im Jahre 2023 gingen ca. 11 Mio regelmäßig wöchentlich ins Fitnesstudio und nur noch ca. 1,2 Mio Katholiken sonntags zum Gottesdienst. An die Stelle von ewigen Heilserwartungen sind ganz praktische Heilungs-Erwartungen getreten.

Niemand hat laut Lütz etwas gegen Ausgleichssport oder Pflege des Körpers. Das Problem der herrschenden Gesundheitsreligion sind nicht die Inhalte, sondern die Übertreibung. Es ist ein Trugschluss, sich durch Gesundheitswahn ewig verlängertes Leben zu erhoffen, sich dadurch erlösen zu wollen. Das setzt viele Menschen unter einen solchen Leistungsdruck, dass sie trotz höchster Fitness überhaupt keine Lebenslust mehr haben. Der Mensch bleibt Adam, also aus Adama, aus Erde gemacht, und sein Körper verfällt wieder zur Erde. Das war zu Zeiten des Hippokrates im 5. Jahrhundert vor Christus so, das ist heute immer noch so. Man kann sich vieles von der Medizin erhoffen, aber nicht alles. Sie kann das Leben des Menschen nicht bis in ewige Zeiten verlängern.

Mit dem heutigen Evangelium stellt sich die Frage: Kann Jesus das? Er greift die alte Prophezeiung des Jesaja aus der Gefangenschaft in Babylon auf: Nimmt er das für sich in Anspruch, dass er vom Geist gesalbt ist, befähigt also, die Armen froh zu machen, Kriegsgefangene zu befreien, Blinden die Augen zu öffnen, Zerschlagene in Freiheit zu bringen? Das damalige Palästina war voll von Wunderheilern. Da es keine Ärzte und Krankenhäuser gab, glaubten die Menschen an Wunder. Verstand sich Jesus als ein solcher historischer Wunderheiler? Wir wissen es nicht. Aber er sagt nicht: Ich mache euch alle heil und gesund.

Er sagt ein rätselhaftes Wort: Heute, heute erfüllt sich dieses Schriftwort. Lange habe ich geglaubt, damit sei gemeint irgendein Datum damals: Heute am 3. Febr. im Jahre 31. Nein, Heute ist eines der häufigsten Worte bei Lukas. Er will sagen, heute, also an jedem Tag deines Lebens will Gott stattfinden. Diese Begegnung wird dich vielleicht nicht von deiner Gicht oder dem Krebs befreien können, aber sie macht dich heil und ganz auf dem Grund deiner Seele und verlängert dein Leben bis in die Ewigkeit. Denn alle Heilungs- und Auferweckungswunder münden ein in die entscheidende Wandlung vom Tod am Kreuz in die Auferstehung.

Als der große Königsberger Philosoph Immanuel Kant schon im hohen Alter war, kam zu ihm ein Schüler und sagte diesen eingangs erwähnten Satz: „Das höchste Gut, Herr Professor, ist doch die Gesundheit.“ „Nein“, antwortete Kant, „das höchste Gut ist die Übereinstimmung mit der Heiligkeit Gottes.“ Im Unterschied zu Thomas von Aquin hielt Kant es für unmöglich, Gott mit den Kräften unserer Vernunft beweisen zu wollen. Als Postulat unserer Hoffnung und unseres ethisch-moralischen Zusammenlebens ist er aber für Kant unentbehrlich. Stimmen wir mit Gott überein, in seinem Geist, dann verstehen wir uns auch als Menschen und in der Natur. Braucht die Welt von heute nicht genau diesen Heilungsweg zur Übereinstimmung?

Einer der großen Philosophen der Frankfurter Schule, Max Horkheimer, beklagt in seinen späten Werken den Verlust Gottes und des Himmels als das große Dilemma des modernen Menschen. Dieser Verlust setzt den Menschen unter einen unglaublichen Leistungsdruck. Alles muss er auf dieser Erde vollbringen und bewirken, sein ganzes Selbstwertgefühl nur auf die hier zu leistende Aufgabe beziehen. Diesem Menschen kommt die Gelassenheit abhanden, nach der man eine Ewigkeit Zeit hat, seine Lebensleistung zu vollbringen. Im Sinne von Kant macht dieser Verlust den Menschen rücksichtslos. Warum soll er denn gut sein, wenn es keinen Gott gibt und er seine schlechten Taten niemals verantworten muss? Allein die Religion, sagt Horkheimer, ist Garant der Würde des Menschen.

Ich sage am Schluss dieser Oase nicht: Bleiben Sie gesund, sondern „Bleiben sie heil“. Bleiben Sie ganz, beteiligt am ganzen Leben, horizontal mit ihren nächsten Nächsten und vertikal bis in die Ewigkeit hinein. Amen.


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