Predigt vom 19.1.2025 – Überflutung durch KI

2025-01-19.-2.Sonntag i.J. Schrifttext: Joh 2,1-11

Überflutung durch KI

Liebe Schwestern und Brüder,

Was ist das für eine merkwürdige Geschichte? Da flutet Jesus eine Hochzeitsgesellschaft mit Wein und das zu später Stunde. Sechs Krüge zu je 100 Liter, 600 Liter Wein. Alkohol im Überfluss! Man fragt sich ja, wie die Gäste anschließend noch nach Hause gekommen sind.

An anderer Stelle flutet er eine riesige Menschenmenge mit Brot. Wunderbare Brotvermehrung. Allein 5000 Männer waren da, noch mal so viele Frauen und noch mehr Kinder. An die 20.000 Menschen werden satt und dann noch 12 Körbe, die übrig sind, für den Abfall? Das alles in einem damaligen bitter armen Land, in einer Mangelgesellschaft.

Was soll dieser Überfluss in diesen beiden Geschichten?

Überfluss kennen wir in unserer Überflussgesellschaft. Heutzutage werden wir regelrecht mit Lebensmitteln geflutet werden. Wir brauchen nur in den Supermarkt zu gehen. Wenn ich ein Brot kaufe, dann habe ich die Qual der Wahl. Nehme ich ein Kürbiskernbrot? Das soll gesund sein und schmeckt. Anderseits sagt der Arzt: Körnerbrot ist nicht gut für Magen und Darm. Also doch ein Paderborner Landbrot? Die Probleme haben meine Freunde in Sambia in Afrika nicht, wo jetzt gerade wegen des Klimawandels eine große Dürre und eine Hungersnot ausgebrochen sind. Die Familienmutter hat nicht das Geld, um überhaupt ein Brot zu kaufen, wenn es denn eins gibt. Das ist der Unterschied zwischen einer Überflussgesellschaft und einer Mangelgesellschaft. Da wird pausenlos geflutet, Überfluss erzeugt, dort fehlt es am Allernötigsten.

In einem Artikel der Stimmen der Zeit las ich jetzt von einem Jesuiten den Satz: Die Schlimmste aller Flutungen ist die mit falschen Informationen und Lügen über die sozialen Medien. Engste Mitarbeiter von Donald Trump verraten ihre Strategie: „Man muss die Aufmerksamkeit der Menschen so lange mit Dreck fluten, bis man mit ihnen machen kann, was man will.“ Wenn man um diese Strategie weiß, dann versteht man, warum so viele Menschen genauso wählen, wie sie wählen. Wieviel Dreck und Müll wurde beispielsweise am letzten Sonntag nach dem Parteitag der Populisten über die Medien in unseren Wohnzimmern abgeladen.

Führende Pädagogen warnen heute vor der grenzenlosen Medien-vermüllung, Internetverseuchung und Wohlstandsverwahrlosung der heranwachsenden Menschen. Aber wie schwer haben es Schulen, wenn sie ein Handyverbort zumindest während des Unterrichts durchsetzen wollen.

Zurück zu unserer Frage: Was soll diese Überflutung mit Brot am Berg der Seligpreisungen und die mit Wein bei der Hochzeit zu Kana?

Wir ahnen, dass es hier nicht in erster Linie darum geht, ob das historisch genau so passiert ist. Verwandlung und Vermehrung sind in der Bibel immer Symbole für das überreiche Vorhandensein von Liebe. Der Heilige Hieronymus hat einmal gesagt: Von dem Wein von Kana trinken wir heute noch. Durch die Inkarnation, die Menschwerdung Gottes ist so viel Liebe in die Welt gekommen, dass es für alle reicht. Die Liebe Gottes offenbart sich jeden Tag und wir haben immer die Möglichkeit, daran teilzunehmen. Und dann liegt es an uns, ob wir die Welt mit Fake-News fluten oder mit Gott begründeter Liebe.

Die Gestalten von Brot und Wein bei der Eucharistie oder beim Abendmahl haben dafür Signalwirkung. Hier sollen wir daran erinnert werden, dass die Welt schon lange mit Liebe geflutet ist.

Dazu las ich ein schönes Beispiel in dem Tagebuch einer Krebskrankheit von Christoph Schlingensief. Schlingensief war Regisseur und Aktionskünstler, der mit seinen Filmen und Kunstwerken in den 90-er und 2000-er Jahren oft für Skandale sorgte. Er ist 2010 mit 49 Jahren an Lungenkrebs gestorben und hat die letzte Zeit dieses Tagebuch geschrieben unter dem Titel „So schön wie hier kann es im Himmel gar nicht sein.“ Darin erzählt er, dass er an eines Sonntags an einer katholischen Messe teilgenommen hatte. Als der Satz vor der Kommunion gesprochen wurde: „O Herr, ich bin nicht würdig, dass Du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“ Da musste er plötzlich bitterlich weinen. Warum? Vielleicht, weil ihm bewusst wurde , dass er ja niemals mehr gesund würde?

Schlingensief denkt darüber nach, dass in der Bibel ja zuerst ein römischer Hauptmann, also ein Heide, zu Jesus diesen Satz gesprochen hat„….Sprich nur ein Wort und mein Diener wird gesund..“ Jesus gibt diesem Menschen, der sich selbst für nicht wert, nicht würdig hält, das Bewusstsein: Es gibt sie nicht die Trennlinie zwischen den Religionen, zwischen Heidentum und Judentum, zwischen Atheismus und Christentum. „Herr ich bin nicht würdig“ ist keine Aufforderung zur Unterwerfung, sondern eine Zusage der Aufrichtung. Warum soll man dann nicht gleich – wie wir es hier tun – die Formel aufrichtend sagen: Herr, Du schenkst Würde…“

Weil Brot und Wein gemeinsam Zeichen der sich vermehrende Liebe Gottes sind, an der wir teilnehmen, darum ist es richtig, dass wir hier unter beiden Gestalten kommunizieren,

Weil die Grenze, die Trennlinie zwischen den Menschen durch Jesus aufgehoben ist, darum ist es richtig, dass wir hier alle einladen, unabhängig von Religion oder Weltanschauung.

Wir heute leben zwar immer länger, aber insgesamt kürzer. Denn früher lebten die Menschen im Schnitt vierzig (Jahre) plus ewig. Heute leben sie nur noch neunzig Jahre. Dieses Leben ist für uns Heutige „die letzte Gelegenheit. Denn wir haben nur noch dieses eine Leben.“


als pdf

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..