Predigt vom 2.2.2025 – Darstellung des Herrn

2025-02-02-Darstellung des Herrn Lukas 1,1-4;4,14-21

Schrei an der Grenze

Crying girl on the border“. So hieß das Pressefoto des Jahres 2019. Es zeigt ein weinendes Mädchen an der Grenze zwischen Mexiko und den USA. Eine Szene bei Nacht. Ein Scheinwerfer erleuchtet diese Szene. Ein Grenzpolizist untersucht eine Frau. Sie muss mit gespreizten Beinen am Polizeiauto stehen und die offenen Hände auf die Autotür legen. Sie ist dem Polizisten völlig ausgeliefert. Zu ihren Füßen zittert ein zweijähriges Kind. Es weint herzzerreißend. In panischer Verzweiflung fürchtet das Mädchen wohl, dass ihm die Mutter und damit jede Lebenssicherheit genommen wird. Denn Präsident Trump hatte 2018 verfügt, dass die Kindern von den Eltern zu trennen sind, wenn man die Eltern verhaftet.

Einen Monat lang war dieses Kind mit der Mutter unterwegs von Honduras bis zur amerikanischen Grenze. Jetzt ist Feierabend! Verhaftung! Ausweisung! Abschiebung! Was geschieht mit der Mutter, was, mit dem Kind. Die Abschiebenden interessiert das nicht.

Zur Gnade mit solchen Kindern und vielen anderen jetzt bedrohten Menschen forderte eine Bischöfin beim Gottesdienst am Morgen nach der Amtseinführung am 21.01.2025 den neu gewählten Präsidenten der USA auf. „Ich bitte Sie um Erbarmen, Herr Präsident, (have mercy) mit denjenigen in unseren Gemeinden, deren Kinder Angst haben, dass ihnen ihre Eltern weggenommen werden.“(…) Im Namen unseres Gottes bitte ich Sie, haben Sie Erbarmen mit den Menschen in unserem Land, die jetzt in Angst sind.Der Präsident hatte dazu keinen Kommentar, nur ein verdrießliches Gesicht. Er war stocksauer und fand den Gottesdienst nicht gut. Er ist eben ein „Präsident Gnadenlos“!

Das Foto vom „crying girl…“ entstand am 11. April 2019. Notre Dame, die französische Kathedrale in Paris, brach am 15. April 2019 unter einem Flammeninferno zusammen, also fast zeitgleich. Für die Kathedrale Notre Dame brauchte man nicht einmal sechs Jahre, um sie vollständig wieder aufzubauen. Bei der Neu-Eröffnung im Dezember 2024 waren die meisten Staatsfrauen und Staatsmänner der Welt zugegen, auch der kommende Mr. President.

Den „crying childs“ dieser Welt zeigt sich nie jemand von denen, die dafür verantwortlich sind. Was ist das für ein Kontrast: Dieser Eifer beim Wiederaufbau der Trümmer von Notre Dame! Und wer heilt die Trümmer, die Traumata in der Seele der geschändeten und verlassenen Kinder und all der Menschen in Ängsten? Sie werden wohl ein Leben lang nicht aufgebaut. Dabei heißt es doch in der Apostelgeschichte: Gott „wohnt nicht in Tempeln, die von Menschenhand gebaut sind.“ Er ist selbst ein Tempel: „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir.“ (Apg,17,28)

Da erzählt das heutige fest Darstellung des Herrn, dass man das Baby von Bethlehem in einen ebenso großen Tempel brachte wie Notre Dame. Dann enthüllt sich die Wahrheit: Dieses göttliche Kind ist Licht für alle im Dunkeln, ist Heil für alle Völker der Erde, auch für die sog. Heiden, wie man damals die jenseits der Grenzen nannte.

Wie schwer ist es zu begreifen, dass nach christlicher Auffassung alle Menschen im Heiligtum des Herzens Gottes wohnen. Darum ist die Würde des Menschen unantastbar, sind die Tränen der Menschen zu ehren und zu achten. Gott weint sie mit uns. Es sind seine Tränen.

Heute vor genau 80 Jahren wurde in Berlin-Plötzensee der Jesuit und Widerstandskämpfer Alfred Delp hingerichtet. Er hatte meist mit gefesselten Händen und in Dunkelhaft kleine Briefchen aus dem Gefängnis herausschmuggeln lassen, auf denen Botschaften stehen, von denen wir heute leben wie von einem Evangelium. Eine dieser Botschaften lautete: „Wir sterben, damit ein besseres Deutschland entstehe.“ Wir sind heute das bessere Deutschland, auch weil diese Martyrer ihr Leben gaben. In der letzten Woche haben die evangelische und katholische Kirche einen Brief geschrieben an die christlich-demokratische-und soziale Partei im Bundestag und davor gewarnt, dass eine Annäherung an rechtsextreme Parteien ein Schritt zurück sein kann in das schlechteste Deutschland, das es je gab. Von einem Journalisten befragt, was er von diesem Brief der Kirchen halte, hat ein Mitglied des Bundesvorstandes der CDU geantwortet: Überrascht nicht – Interessiert nicht. Die Kirchen interessieren nicht mehr. Heißt das auch, dass Gott nicht mehr interessiert? Da fällt mir wieder Alfred Delp ein, der im Angesicht des Todes geschrieben hat: Wenn das Kind von Bethlehem aus den Herzen der Menschen fällt, wenn Gott aus unserem Land verschwindet, dann verschwindet eines Tages auch der Mensch.

Als das Bild vom crying girl on the border veröffentlicht wurde, da ging ein Aufschrei durch die Welt, eine Empörung, die dafür sorgte, dass Trump seinen Befehl, die Eltern von den Kindern bei der Verhaftung zu trennen, zurücknehmen musste. Das zeigt doch, dass es etwas bewirkt, wenn die Menschen „guten Willens“ den Mund aufmachen. Das ist doch der Sinn der biblischen Kindheitsgeschichten, dass die „Menschen guten Willen“ sich endlich einbringen, dass die Welt menschlicher werde. Amen.


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