Predigt vom 29..4.2023 – Vierter Ostersonntag

2023-04-29-Vierter Ostersonntag

Künstliche Intelligenz

Joh 10,1-10

Liebe Schwestern und Brüder,

am letzten Sonntag wurde auf der Landesgartenschau in Höxter der interreligiöse Schöpfungsgarten eröffnet. Schirmherr des Schöpfungsgartens ist Prof. Klaus Töpfer, der frühere Bundesumweltminister und spätere Direktor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen in Nairobi. In seinem Grußwort sprach Töpfer von den Erdzeitaltern. Früher dauerten die Erdzeitalter, z.B. das Pliozän oder das Pleistozän, ca. 2,5 Mio Jahre. Seit etwa 11.000 Jahren gibt es jetzt das Holozän, unsere Jetztzeit, unsere Warmzeit, die die letzte Kaltzeit abgelöst hat. Töpfer beklagte, es gäbe jetzt schon, und nicht erst nach Millionen von Jahren, ein neues Zeitalter. Das Anthropzän, also das Zeitalter, des Menschen habe das Holozän abgelöst. Der Mensch greift derart stark in die natürlichen Abläufe ein, dass Veränderungen z.B. die Dynamisierung der Warmzeiten des Klimas einseitig auf sein Konto gehen.

Philosophisch denkende Historiker sagen inzwischen, dass wir im Augenblick eine neue Stufe der Evolution erreichen, der Mensch wandelt sich vom Homo Sapiens zum Homo Deus, also zum Menschen, der selber Gott ist. Nach dem Verständnis unserer jüdisch christlichen Religion ist der Mensch concreator of god, Mitschöpfer Gottes. Jetzt ist er selber Schöpfer, baut sich die Welt nach seinen Wünschen, und die künstliche Intelligenz ist seine Mitschöpferin. Und die Frage ist wie beim Zauberlehrling von Goethe, ob diese Mitschöpferin Fluch oder Segen ist, ob sie sich eines Tages so selbständig macht, dass sie dem Menschen davonläuft, so wie weite Teile der Menschheit sich von Gott trennten.

 

Dabei ist die  künstlichen Existenz ja faszinierend. Man staunt, was bestimmte Programme alles können. Sie können auf unendlich viele Fragen antworten. Manche können selbstständig Bilder malen, Texte und Gedichte verfassen. Hätte ich ein solches Programm, dann hätte ich gestern keine Arbeit gehabt mit der Sonntagspredigt. Ich hätte der Software einfach gesagt: Verfass mir eine spannende Predigt zu der Bibelstelle vom Guten Hirten und den Schafen. Wahrscheinlich hätte ich dann jetzt eine geschliffene Predigt, und Sie würden alle gebannt zuhören. Ob das aber alles echte Bibelauslegung oder nur Spinnerei ist, das wüsste ich nicht mehr, also Fluch und Segen.

 

Kürzlich erzählte eine Kollegin, eine evangelische Pfarrerin, sie habe in ein Programm von KI die Frage eingegeben: Wie retten wir die Welt?

Darauf habe sie die Antwort bekommen: „Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen von uns, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.“ Und dann habe sie auf eine Software verwiesen, mit der man seinen ökologischen Fussabdruck messen kann. Na ja, es ist ja toll, dass KI so etwas weiß, aber hätte ich mir diese Antworten nicht selber geben können? Allzu gerne würde ich KI mal fragen: Gibt es ein ewiges Leben? Experten sagen, da seien die Antworten ähnlich allgemein, nach der Art: Das muss jeder selber wissen.

Künstliche Intelligenz kann vielleicht schneller und präziser denken als wir Menschen; aber glauben kann sie nicht anders als wir.

Was nützt mir das denn alles, wenn ich immer noch keine Antwort habe auf meine Grundfrage: Was eigentlich ist der Sinn meines Lebens?

 

Liebe Schwestern und Brüder, das Rad der Geschichte läßt sich nicht zurückdrehen, vom Anthropzän ins Holozän, vom homo deus zum homo sapiens. Künstliche Intelligenz ist in der Welt und läßt sich nicht mehr abschaffen. Aber sie ist eine Stimme neben anderen Stimmen. Daneben gibt es immer noch die Stimme meines Gewissens. Von dieser Stimme spricht das heutige Evangelium in einem Bild: Gott ist wie ein guter Hirte, und die Menschen sind wie Schafe, die gut daran tun, seiner Stimme zu folgen. Diese Stimme ist meine innere Stimme. Sie kommt nicht aus einem Computer. Ich höre sie nur, wenn ich zu mir gehe, in meine Stille, in mein Schweigen.

 

Ein schönes Beispiel dafür, wie diese Stimme Leben rettet, finden wir in Hanns-Josef Ortheils Erfolgsroman Roman „Die Erfindung des Lebens“. Er schildert in weiten Teilen sein eigenes Leben. Johannes, die Hauptfigur des Romans, alias Hanns Josef Ortheil, ist das letzte von 5 Kindern. Alle vier Brüder sind im jungen Alter vor ihm gestorben. An der Beerdigung des vierten Kindes kann die Mutter nicht teilnehmen. Ihr hatte es die Sprache genommen und die Nerven geraubt. Am Grab beginnen alle zu schluchzen und zu weinen. Am Ende versagt selbst dem Pfarrer die Stimme. Es war furchtbar. Niemand wusste mehr einen Ausweg. Da trat der Vater des Kindes ans Grab, schnäuzte sich, atmete mehrmals tief durch und sprach mit fester Stimme: „Der Herr ist meine Hirte, nichts wird mir fehlen, muss ich auch wandern durch Todschattenschluchten, ich fürchte mich nicht, denn Du bist bei mir.“ Klar und deutlich spricht er den Psalm von guten Hirten zu Ende.

Seit ich davon erfuhr, sagt Johannes, sagt Hanns-Josef, der einzig überlebende Sohn, beginne ich jeden meiner Tage mit dem Satz: Guter Hirte sei an meiner Seite, o Gott komm mir zur Hilfe, Herr eile mir zu helfen; Heute!!

Liebe Mitchristen, nutzen Sie die Computersprache, nutzen Sie auch KI, aber erwarten Sie nicht die Rettung von ihr. Folgen Sie der Stimme ihres Gewissens und sagen sich jeden Morgen; O Gott, komm mir zur Hilfe, Herr eile mir zu helfen; Heute!!

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