Predigt vom 12.12.2021 – So wahr mir Gott helfe

2021-12-12_3._Adventssonntag
Schrifttext: Phil 4,4-7; Lk 3,10-18
So wahr mir Gott helfe

Liebe Schwestern und Brüder,
kann man ohne Gottes Hilfe gerechte und gute Politik machen? Der
neue Bundeskanzler und ein Teil seiner Ministerriege hat bei der
Vereidigung auf den Zusatz verzichtet „So wahr mir Gott helfe.“
Nun sagt das natürlich nichts aus über die religiöse und ethische
Einstellung dieser Politiker aus. Aber die Frage bleibt doch: Geht`s auch
ohne Gott, nicht nur in der Politik, auch sonst im Leben.
Erschüttert hat mich kürzlich der Bericht eines jungen Menschen von 18
Jahren, der aus Afghanistan geflohen war. Sie erinnern sich an die
Horroscenen die uns vom Flughafen in Kabul im letzten Sommer erreicht
haben. Dieser Mann saß mit seinen Eltern bereits vorher in einem
Flugzeug, das unter schweren Raketenbeschuss die Hauptstadt Kabul
verließ. Er, seine Eltern und andere Menschen im Flugzeug fassten sich
schweigend an den Händen. Sie fühlten sich in stiller Verbundenheit mit
Gott. Stumm bewegten sie ihre Lippen zu dem einzigen Hilferuf: „Gott
bleib bei uns, was auch immer geschieht“. Sie landeten irgendwann
sicher im Nachbarland und dann in Rammstein. Später fragte jemand
den jungen Mann: „Sie haben überlebt, aber wenn es schief gegangen
wäre, was dann?“ Er antwortete: „Es war nicht mehr unsere
Entscheidung ob es gut oder schief ging. Ich wusste in dem Augenblick
nur eins: Ob wir leben oder sterben, wir sind jetzt nur noch Gottes Hand.
Dieser Erfahrung, sagte der junge Mann, sei lebensprägend für ihn
gewesen. Alles kann ich in meinem Leben verlieren, aber niemals den
Glauben. (vgl. CiG 19/2013)
So wahr mir Gott helfe. Nach dem Glauben des christlichen
Abendlandes ist seit dem adventlichen Bild von der Wurzel Jesse im
Buch Jesaja Gott die Wurzel allen Lebens. Ein Baum kann nur in der
Verbindung mit seiner Wurzel bleibend leben. Trennt man ihn davon,
stirbt er.
Diese Tiefenverbindung gibt auch dem Menschen Kraft, Vertrauen und
letztlich Mut. So wahr mir Gott helfe. Der Deutsche Widerstand gegen
den Nationalsozialismus im Dritten Reich wäre zu über 90 % ohne die
Tiefenbegründung im göttlichen Boden nicht denkbar gewesen, von den
Geschwistern Scholl bis zum Kreisauer Kreis. Sie haben genau das
gemacht, was im heutigen Evangelium des Dritten Advents die Leute,
die Soldaten, die Zöllner tun. Sie wenden sich an Jesus und fragen ihn:
Was sollen wir tun? Die Politiker des deutschen Widerstands haben sich
in unzähligen Gebeten und Bibelgesprächen an Jesus gewandt und
gefragt: Was sollen wir tun? Ist es erlaubt Hitler, den Tyrannen
umzubringen? Dürfen wir zu den Waffen greifen, um die Waffen
abzuschaffen? Kann man sogar riskieren, dass bei den Attentaten
Unschuldige getroffen werden? Dürfen wir unser eigenes Leben aufs
Spiel setzen und das unserer Familien, die doch sofort in Sippenhaft
genommen werden?
Sie meinen die Antwort gefunden zu haben aus der Glaubensgewissheit
heraus: Man kann den Baum abschneiden, aber die Wurzel lebt weiter;
man kann uns umbringen, aber unsere Seele ist unzerstörbar, weil sie in
Gottesverbindung steht. Ohne Glauben an die Auferstehung wäre dieser
Widerstand nicht denkbar gewesen. Das ist historisch erwiesen.
So wahr mir Gott helfe. „Es war nicht mehr unsere Entscheidung ob es
gut oder schief ging“, sagt der junge Mann im Flugzeug aus Kabul, „es
ging nur noch darum mit Gott in Verbindung zu bleiben.“
In der Lesung heißt es heute: „Bringt in jeder Lage flehentlich eure
Bitten vor Gott.“
Ich kann mir vorstellen, liebe Schwestern und Brüder, dass viele von
ihnen ähnliche Erfahrungen kennen, von denen sie im nach hinein
sagen: Ohne die Verwurzelung in Gott wäre es nicht gegangen.
Ich wünschte mir, dass auch heute Politiker hin und wieder Gott fragen:
Was sollen wir tun? Wie sollen wir entscheiden? Und nicht nur den
Meinungsumfragen folgen.
Der Ministerpräsident von Baden Württemberg, Winfried Kretschmann,
hatte bei den Benediktinern in Maria Laach Exerzitien gemacht. Die
Tageszeitung die TAZ hat ihn danach gefragt, wie er denn auf die Idee
gekommen sei? Darauf hat er geantwortet: „Das Alltagsgeschäft in der
Politik ist ein knochenharter Job. Ich bin mir bewusst, dass man als
Politiker sehr schnell scheitern kann. Darum brauche ich meinen
Glauben, der mir sagt, dass man als Mensch vor Gott nie scheitert. Also
gönne ich mir Exerzitien, diese wenigen Tage Abstand vom Alltag.“
Brauchen wir letztlich nicht alle diese Grundgewissheit: Man kann im
Leben nicht scheitern, weil wir in Verbindung sind mit Gott?
Gebet
Gott, ich will nicht aufhören
deine Stimme in mir zu hören,
die in mir klingt, die zu mir spricht:
„Ich bin bei Dir, wo auch immer Du bist.“
Lass mich zur Ruhe kommen, Gott.
Bleib mit mir in Verbindung
Und bleib in Verbindung mit den Menschen, die in Afghanistan und anderen
despotischen Ländern zurückbleiben mußten und jetzt vielleicht an den
Händen fassen und flehentlich zu dir rufen: Gott bleib bei uns, was auch
immer geschieht. Amen.


als pdf

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.