Predigt vom 14.11.2021 – Abriss der Tradition

2021-11-14-33.So.i.J. – Evangelium Mk 13,24-32

Abriss der Tradition

Liebe Schwestern und Brüder,

der Allerheiligentag war in diesem Jahr ein wunderschöner sonniger Herbsttag. Viele Menschen waren auf den Friedhöfen, standen an den Gräbern ihrer Angehörigen. Ich bin vormittags segnend über den Wewelsburger Friedhof gegangen. Als ich gefühlt eine Stunde unterwegs war und den Friedhof gerade verlassen wollte, da winkte mich eine einzelne Frau, die allein an einem abseits gelegenen Grab stand, herbei. Es war ihr wichtig, dass ich ihr Grab auch segnete.

Nachmittags dann auf dem Friedhof in Siddinghausen. Am zentralen Kreuz feierten wir Eucharistie, das Fest der Verwandlung von Tod und Auferstehung und brachten das Licht der Osterkerze zu den Gräbern der im letzten Jahr Verstorbenen. Dann die Gräbersegnung. An den meisten Gräbern befanden sich Angehörige. Manche wechselten und fanden sich  an anderen Gräbern wieder.

Am Abend dieses Tages kam mir unwillkürlich der Gedanke. Wer steht eigentlich eines Tages an deinem Grab? Wer schmückt es mit Blumen, bringt einen Kanne Wasser oder ein Totenlicht. Viele Menschen stellen sich heute diese Frage und sagen: ich will meinen Nachkommen nicht mit der Grabpflege zur Last fallen. Sie kaufen sich deshalb einen Platz unter einem Baum im Friedwald oder im anonymen Gräberfeld.

Aber jeder Tod ist persönlich, und jeder Verstorbene hat einen Namen.

Und jedes Grab und Denkmal hat den Sinn, den Verstorbenen im eigenen Innern aufzusuchen, im Erinnern. Denn, so sagt Rilke „hat der Verstorbene dort einen Platz, dann lebt er für ewig fort.“

Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz hat den sogenannten Abriss der Tradition eine der Todsünden der zivilisierten Menschheit genannt. Werden die Verstorbene vergessen, dann heißt das, sie sterben einen zweiten Tod, und mir fehlt der Brunnen der Tradition, aus dem ich schöpfen kann. Viele sagen: Ob einer nach dem Tod an mich denkt oder nicht, das ist mir egal. Das merke ich sowieso nicht mehr. Wirklich nicht? Woher wissen sie denn, dass die Verstorbenen in ihrer Welt die Beziehung zu uns Lebenden nicht auch suchen, um uns zu leben helfen?

Ich fand es schön, dass mich bei meinem Gang über den Friedhof vier Messdiener begleitet haben. Damit wird deutlich, dass wir die junge Generation auch in diese Tradition stellen. Denn Konrad Lorenz sagt, dass dieser Abriss der Tradition besonders die kommende Generation trifft. Denn der Nobelpreisträger Konrad Lorenz sagte bereits 1973 auch, dass einer Menschheit, die nicht mehr in der Folge von Generationen denkt, auch das Schicksal der künftigen Generation egal ist. Es ist egal, wie Menschen nach mir leben. Und dann kommt es, so Lorenz, zu einer der nächsten Todsünden der zivilisierten Menschheit, der Verwüstung des Lebensraums Erde. Und da sind wir heute mitten drin.

Wir spüren überall die Ratlosigkeit, weil wir den Propheten von vor 50 Jahren nicht zugehört haben. Der Klimagipfel in Glasgow hat wieder einmal gezeigt, wie schwer sich die Länder der Erde tun, das in die Wege zu leiten, was dringend nötig ist, damit nicht genau das passiert, was im heutigen Evangelium prognostiziert wird, dass die Kräfte des Himmels erschüttert werden durch so viele Emissionen, dass die Luft zum Atmen wegbleibt und sogar die Sterne sich verdunkeln und alles ins Wanken gerät. Der Niederländer Timmermanns, einer der Leiter des Gipfels, hat am Freitag ein Handybild von seinem Enkelkind gezeigt, und gesagt: Wenn wir jetzt nicht handeln, dann werden unsere Enkel auch in Europa nicht mehr genug Wasser und Nahrung haben.

Immerhin hat das Erzbistum Paderborn einen Klimaschutzmanager eingestellt, der dafür sorgen soll, dass in den Kirchengemeinden ressourcenorientiert gearbeitet wird. In der aktuellen Ausgabe der Bistumszeitschrift DER DOM fordert er aber auch jeden einzelnen auf, z.B. das Freitagsverbot, die Zeiten des Advent und der Fastenzeit wieder ernst zu nehmen als Zeichen des Verzichts auf Luxusessen, übertriebenen Energieverbrauch in alle Richtungen. Klimahandeln statt Klimawandeln ist seine These.

Als im Jahre 1859 in London die Themse zur Kloake geworden war, brach eine entsetzliche Choleraepedemie aus, die 15.000 Menschen das Leben kostete. Damals erkannte man zum ersten Mal, dass die menschenverursachte Verschmutzung des Wassers und der Luft sich schrecklich rächen konnte.

Damals dichtet ein anglikanischer Chorleiter das Lied Abide with me, das bis heute bei jeder englischen Beerdigung gespielt wird, von Prinz Philipp bis zum Bettler.

Bleib bei mir; schnell schon bricht der Abend an

Die Dunkelheit vertieft sich; Herr, bleib bei mir

Wenn andere mir keinen Trost spenden können und Unbehagen sich einschleicht

So bist doch du die Hilfe der Hilflosen, ach, bleib bei mir


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