Predigt vom 18.8.2019 – Macht Gott Fehler?

2019-08-18_20._ So.i.J. – Schrifttext: Lk 12,49-53

Macht Gott Fehler?

Liebe Schwestern und Brüder,

wenn man so wie ich inzwischen die Altersgrenze der 70 Jahre überschritten hat, dann  wird Dir zum einen bewusst: Du kannst nicht mehr mit deiner Lebenszeit umgehen, als sei sie unbegrenzt. Zum anderen fällt mir ein Satz von Charly Chaplin ein, der in einem ähnlichen Alter angesprochen wurde auf seine weißen Haare. Da hat er gesagt: Wenn Schnee auf dem Dach liegt, heißt das noch lange nicht, dass innen drin der Ofen aus ist. Das ist die Grundlebensfrage: Wofür brenne ich?  Wofür brenne ich vielleicht auch noch mit 70 Jahren?

Mit fiel dazu die Lebensgeschichte eines Menschen ein, der ohne Arme und Beine auf die Welt kam, des Kroaten Nick Vujicic. Ich bin ihm zuerst begegnet in einem Film, den ich gerne in meinen Seminaren einsetze. Der heißt Butterflyzirkus. Da spielt Nick die Hauptrolle. Menschen mit so starken Behinderungen hatten früher nur noch die Möglichkeit als Sonderheit im Freakshows eines Zirkus bestaunt zu werden. Nick wird da von dem Direktor angekündigt mit dem Satz: Und sehen sie jetzt einen Menschen, dem sogar Gott der Allmächtige den Rücken zugewandt hat, den Mann ohne Glieder. Ein verlorenes Leben, von Menschen begafft, von Kindern angespuckt. Aber die Botschaft des Butterflyzirkus ist: In jedem Menschen steckt noch ein anderes Leben, ein Schmetterling.

Und das ist die wirkliche Geschichte des Nick Vujicic. Als Kind trieb ihn die Angst um: Was wird aus mir, wenn meine Eltern nicht mehr da sind.

Das löste oft starke Depressionen aus. Und er fragte sich auch: Hat Gott an mir einen Fehler gemacht? Und er begann die Bibel zu lesen, und las und las und las. Und plötzlich machte es Klick. Nein, ich bin kein Fehler, ich bin eine besondere Herausforderung Gottes. Wenn ich den Menschen sage, was wichtig ist im Leben, wenn ich fröhlich die frohe Botschaft sage trotz meiner Handicaps, dann müssen sie sie glauben.

Und so ist es. Heute ist Nick Evangelist in einer evangelischen Freikirche und füllt mit seinen Gottesdiensten riesige Hallen. Dieses Buch, das zuletzt von ihm erschienen ist, trägt den vielsagenden Titel: Wenn Gott sogar einen Mann ohne Arme und Beine gebrauchen kann, dann kann er jeden gebrauchen.

 

Gott braucht jeden, Sie, mich uns alle. Aber er braucht uns nicht mit verbissener Moral, Er braucht uns wie Nick mit voller Begeisterung.

„Wenn Schnee auf dem Dach liegt, heißt das noch lange nicht, dass innen drin der Ofen aus ist.“ Im Evangelium sagt Jesus: Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen und ich will, dass es brennt.

Aber er sagt auch: Wenn Du brennst für Gott und sein großes Schicksal, dann begibst Du dich auch in unendliche Widerstände. Und diese Widerstände verlaufen oft durch die eigene Familie. Da sagt z.B. die alte Frau, deren Sohn gerade ums Leben kam, zu ihrer Enkeltochter, deren Vater der Verstorbene ist: Mädchen, halt dich an Gott. Und die Enkeltochter zischt zwischen den Zähnen hervor: Ach Oma, dein naiver Glaube hilft mir auch nicht mehr. Der Glaubensriss  geht oft durch die eigene Familie.

Wofür brennst Du? Wofür brennst Du in dieser Wendezeit? Ja, wir leben in einer Wendezeit, sagt in einem seiner neuesten Bücher der Theologe Eugen Drewermann, in einer Zeit, da zunehmend nur noch die Populisten regieren. Und ein Land nach dem anderen fallen ihnen zum Opfer, von Amerika bis Italien. Populisten bedienen die Mentalität, dass Menschen ihr Leben nur noch vom kurzfristigen Erfolg, vom unmittelbaren Genuss, von  grenzenlosem Hedonismus her definieren. Alles was Geld und Erfolg bringt, darf gemacht werden, auch wenn man dafür den letzten Regenwald abholzt und den Klimawandel leugnet. Sehenden Auges folgt man Rattenfängern, die am Ende in die Katastrophe führen. Was bleibt von so einem Lebenskonzept, wenn Du älter wirst, die Grenze in Bick kommt oder dein Leben wie bei dem erwähnten Beispiel im plötzlichen Unfall endet?

Wir müssen dagegen , meint Drewermann, den Menschen Gott wieder spannend machen, jene moralische Instanz, von der Immanuel Kant sagt, dass sie größer ist als wir und doch in ihrem Herzen das Gesetz in sich hat, das allein den Menschen zum Menschen macht. Darum brenne ich für eine humane, eine humanistische und ökologische Religion. Keine Religion, die den Menschen einsperrt in Sünde und Schuld, in Höllen- und Fegefeuerängste, sondern eine, die den Butterfly, den Schmetterling des Lebens frei setzt.  Mit dem Blick auf den segnenden Christus, auf seine Wärme, Nähe, Liebe, kann in uns alles frei werden, was würdig und wertig ist, die Ehrfurcht vor dem Leben, vor der Natur, vor anderen Menschen und vor uns selbst; dass wir also uns selber mögen, selbst dann noch, wenn wir keinen Beine und Arme haben, uns selber mögen, weil Gott uns mag. Wenn er sogar mich gebraucht, dann gebraucht er jeden. Amen.

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