Predigt vom 23.02.2020 – Feindesliebe

2020-02-23_ 7._ So._i._J.

Feindesliebe

Liebe Schwestern und Brüder,

ein Mann, 30 Jahre alt, totkrank, spricht sein Abendgebet und trägt es in sein Tagebuch ein. Es lautet:

„Ewiger Gott, es ist 21.30 Uhr, Zeit zu schlafen. Segne, Heiliger Gott, alle Lebenden, segne alle Toten, nah und fern. Segne, höchster, auch meine Feinde.“ Es ist der letzte Tagebucheintrag vom seligen Karl Leisner, 19 Tage vor seinem Tod am 25. Juli 1945.

Im November 1939 war Karl Leisner in einem Sanatorium und hörte im Radio von einem fehlgeschlagenem Attentat auf Adolf Hitler und sagte nur ein Wort: Schade. Dieses Wort hörte ein Arzt und zeigte ihn bei der Gestapo an. Die Folge waren mehr als 5 Jahre Konzentrationslager, die meisten in der Hölle von Dachau. Im Dezember 1944 wurde Karl Leisner als einziger heimlich zum Priester geweiht durch einen ebenfalls inhaftierten französischen Bischof der Resistance.

Als Karl Leisner im Mai 1945 aus dem KZ befreit wurde, war er so geschwächt, dass er kurz darauf starb. Und dieser Mann, der von seinen Feinden so geschlagen, gedemütigt, bespuckt, entwürdigt worden war, betet wenige Tage vor seinem Tod: Segne, höchster, auch meine Feinde. Er betet es, weil es der Auftrag Jesu ist, und er ernst macht mit seinem Glauben.

 

Liebet eure Feinde. Geht uns das nicht vollkommen gegen den Strich. Im Alten Testament steht noch etwas anderes, habe ich heute morgen noch im Stundebuch gebetet: Die Feinde, o Gott zerschlage sie alle, vernichte, die mich verfolgen.(Psalm 92)

Jesus geht weit darüber hinaus. Liebe deine Feinde. Betet für die, die euch verfolgen. Gilt diese Aufforderung nur für ganz besondere Menschen, für Heilige wie Karl Leisner. Ein normaler Mensch kann das doch nicht. Ja, die die ich schätze, in deren Gegenwart ich mich wohl fühle, die kann ich lieben. Aber die anderen, die, die mich ständig ärgern, die über mich her ziehen, die kein gutes Haar an mir lassen, die mich gar nicht leiden können, die lieben? Das geht zu weit. Das ist zu viel verlangt.

 

Und doch meint Jesus diesen Satz nicht nur für die Großen der Geschichte: Franziskus, Mutter Teresa oder Maximilian Kolbe. Er spricht damit jeden von uns an in seiner konkreten Lebenssituation. Denn er wendet sich immer an alle, die ihm zuhören oder zuhören wollen.

Aber Jesus fordert nie etwas mit dem moralischen Holzhammer. Er sagt nicht: Jetzt reiß dich mal zusammen, gib dir mal anständig Mühe, dann kannst Du alle Menschen lieben. Jesus sagt vielmehr, Du hast die Fähigkeit zu lieben, Du hast sie geerbt von Deinem großen im Himmel. Ein Autor in einer Zeitschrift sagt: Das meiste im Leben haben wir geerbt. Ich habe z.B. hohen Blutdruck. Es gibt dafür medizinisch eigentlich keinen Grund. Ich ernähre mich vernünftig, esse wenig Salz, bewege mich regelmäßig, rauche nicht, trinke kaum Alkohol. Der hohe Blutdruck, sagt der Arzt dem Autor, ist bei ihnen essentiell, er gehört zu ihrer Essenz, zu ihrem Wesen. Sie haben ihn von Ihrem Vater geerbt.

 

Da frage ich mich: Wenn schon mein irdischer Vater mir etwas vererben kann, was jetzt in mir ist und wirkt, wieviel mehr kann dann mein himmlischer Vater mir vererben, was seiner Essenz, seinem Wesen entspricht. Und die Essenz Gottes ist Liebe. Darum sagt Jesus nicht: Liebe eure Feind auf Teufel komm raus, weil ihr sonst beim Endgericht schlechte Karten habt. Sondern: Ihr habt die Quelle der Liebe geerbt, sie ist in euch. Ihr müsst nur daran glauben, sie leben. Seid vollkommen wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.

 

Es gibt einen, der hat das wie Karl Leisner gelebt, Nelson Mandela. 28 Jahre hatten die Apartheitspolitiker Südafrikas ihn im Gefängnis furchtbar gequält. Als er  frei kam und 1994 der erste farbige Präsident Südafrikas wurde, da hat er als erster einen Straferlass verfügt für alle diktatorischen ungerechten Politiker, Polizisten, Geheimnisleuten, viele Verbrecher und Mörder, wenn sie um Vergebung bitten würden. Viele halten diesen Straferlass politisch bis heute für falsch, weil er die Probleme Südafrikas nicht beseitigt hat.

 

Aber man kann Nelson Mandela eben nicht nur politisch verstehen. Man muss ihn vor allem aus seinem tiefen christlichen Glauben begreifen. Gott lebt in deiner DNA, das war sein Glaube, den er  einmal so ausgedrückt hat: „Wenn Gott in meinem Herzen wohnt, dann verliere ich meine Angst, die Angst vor den inneren und vor den äußeren Feinden. Und wenn ich meine Angst verliere, dann verlieren andere in meiner Gegenwart auch ihre Ängste. Und dann muss ich mich nicht mehr ärgern, mich nicht mehr aufregen, mir nicht mehr wehtun. Denn wenn Gott in mir ist, dann ist Frieden in mir. Das ist es wohl, wenn wir sagen, der Friede fängt immer bei mir selbst an.“

Liebet eure Feinde. Das heißt ja nicht, dass ich schon gleich nach dieser Messe jedem um den Hals fallen muss, den ich nicht ab kann. Das heißt erst einmal Frieden mit dir selbst zu schließen, mit all den Seiten, Schwächen und Macken, die Du an dir selber nicht leiden kannst, zu sagen, auch Neid, Wut, Zorn, Eifersucht, Ärger oder Trauer gehören zu mir. Aber ich kämpfe mit ihnen nicht moralisch, sondern ich lebe mit ihnen, rede darüber mit mir, mit anderen, halte sie in die Sonne Gottes in einem Gebet. Dann schließen sie mit mir Frieden, einen Frieden, der aus Gott kommt, und den Karl Leisner gefunden hat, obwohl er totkrank war.

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Ein Gedanke zu „Predigt vom 23.02.2020 – Feindesliebe

  1. Feindesliebe!? Aber ist es nicht in der DNA des Menschen angelegt? Eine Entwicklung, die seit über 50.000 Jahre den Menschen geformt hat. Über den Homo sapiens als Jäger und Sammler, bis vor 11.000 Jahre v. Ch. als der sesshafte Mensch daraus entstand. Das Alte Testament hat diese DNA weiter geformt, bis es eigentlich nicht weiter ging? So war das Neue Testament die logische Konsequenz zum Überleben dieser DNA. Seit 2000 Jahren ist das „Liebe deine Feinde“ eine Privileg der Heiligen. Wenn die Menschheit aber noch eine Zukunft haben will, muss sich diese Vorgabe weiter festigen.
    Aber, oh ja, das ist schwer, wenn nicht das Schwierigste für den Menschen überhaupt.

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