Predigt zum 21. So. im Jahreskreis 2016-08-22
Lk 13,22-30
Thema: Der Penner und der Staatsanwalt
Aus dem Bericht einer Krankenschwester,
„Unsere Station war an diesem Tag völlig überfüllt. Wir hatten viele Neuaufnahmen. Plötzlich war es geschehen, dass sich ein Staatsanwalt und ein „Penner“ ein Krankenzimmer teilen mussten. Der Staatsanwalt war kurz vor dem Sterben, und ich wollte den Nichtsesshaften aus dem Zimmer schieben. Dieser fragte erstaunt „Warum?“ Ich erklärte ihm, dass sein Zimmernachbar wohl bald sterben werde. Daraufhin sagte der Nichtsesshafte: „Warum lassen sie mich nicht hier, es ist das Einzige, was ich tun kann.“ Der Obdachlose blieb neben seinem Zimmernachbarn am Bett sitzen, bis er verstorben war. Der Staatswalt hatte keinen anderen Begleiter.“
Das „Einzige“, was dieser Mensch tun kann, ist das Wichtigste, was ein Mensch einem anderen an Zuwendung geben kann: Ihn im Sterben zu begleiten. So hat Mutter Theresa immer wieder betont.
Offensichtlich hat der Obdachlose bei allem Scheitern seines Lebens noch eine Ahnung davon, was uns im Kern des Menschseins verbindet, und dass wir alle auf dem Weg zu einem gemeinsamen Ziel sind.
Wie mag sich dieser Mensch bisher gefühlt haben: Ein Leben lang unterwegs, an Haustüren oder auf der Straße bitten zu müssen „Haben sie mal `nen Euro?“ Ablehnung, Gleichgültigkeit und vielleicht ein bischen Mitleid von oben herab zu erfahren? Am Abend kein richtiger Platz zum Schlafen, frieren, nass werden zu müssen, den Dreck des Tages, aber mehr noch den Frust und die Entwürdigungen eines ganzen Lebens abends nicht wegduschen zu können?
Fühlt er sich nicht wie der letzte Dreck.
In der Bibel sagt Jesus: Kein Mensch ist letzter Dreck, aber jeder ist wertvoller Acker, in dem ein Schatz verborgen liegt. Unser Nichtsesshafter entdeckt diesen Schatz vielleicht erst spät in seinem Leben: „Das ist das Einzige, was ich tun kann.“ In einem Menschen, dessen Leben zum Wegwerfen scheint, weckt nach meinem Glauben Gott diesen Schatz. Da ist plötzlich Göttliches zwischen dem Obdachlosen und dem Staatsanwalt.
Diese eindringliche Geschichte bestätigt die alte Weisheit, dass spätestens im Sterben alle Menschen gleich-wert-tig sind. …