2024-12-08-2. Advent Lukas 3,1-6
M-L-King – Du bist jemand
Liebe Schwestern und Brüder,
wörtlich hat am 28. August 1963 vor dem Lincoln Memorial in Washington Martin Luther King in seiner berühmten Traumrede diese Worte des Jesaja zitiert im heutigen Evangelium nach Lukas aufgegriffen. Vor 250.000 Menschen sagte er damals:
„Ich habe einen Traum, dass eines Tages jedes Tal erhöht und jeder Hügel und Berg erniedrigt werden. Die unebenen Plätze werden flach und die gewundenen Plätze gerade, und die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden. Ich habe einen Traum, dass eines Tages die Söhne von früheren Sklaven und die Söhne von früheren Sklavenbesitzern auf den roten Hügeln von Georgia sich am Tisch der Brüderlichkeit gemeinsam niedersetzen können… Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der sie nicht wegen der Farbe ihrer Haut, sondern nach dem Wesen ihres Charakters beurteilt werden.“
Martin Luther King war fest davon überzeugt, dass man seinen farbigen Schwestern und Brüder solange eingeredet hat, sie seien Menschen zweiter Klasse, sie seien Sklaven, Nigger, Kaffer, bis dass sie es selbst geglaubt haben. Sein Erweckungserlebnis war vielleicht, als er die Mose-Geschichte gelesen hatte. Ihm wurde klar, dass er den quälenden Sklavengeist verinnerlicht hatte, dass er aber auch wie Mose seine inneren Demütigungen und seine Ängste überwinden konnte und die Kraft hatte, vor die mächtigen Pharaonen seiner Zeit hinzutreten und zu rufen: Let my people go, Lasst mein farbiges Volk endlich frei. Als ich mich selbst von Gott befreit fühlte, hatte mein innerer Sklave keine Macht mehr über mich. Denn das Sklavesein war mir von außen eingeredet. Es lag nicht in meinem Menschsein.
Einmal sprach er zu Tausenden der Ärmsten der Armen in Alabama, und er hielt eine Rede, in der er eigentlich nur aufzählte, was man seinen Zuhörern möglicherweise zugefügt hatte. Er tat dabei so, als wenn er jeden einzelnen anredete:
Es kann sein, du hast nie eine Schule besuchen können; but you are sombody, aber du bist jemand es kann sein, du hast nie ein Paar Schuhe an deinen Füßen
getragen; but you are… es kann sein, du kannst nicht einmal deine eigene Muttersprache
richtig reden; but you are… es kann sein, dass du deine Mutter nicht einmal kennen gelernt hast; es kann sein, dass du kein Zuhause hast, auf der Straße lebst; but… es kann sein, dass du kein Einkommen besitzt; but you are… es kann sein, dass du nicht weißt, wo du heute Abend schlafen sollst.
Nach wenigen Sätzen schon verwandelte sich diese Predigt in einen Spiritual-Gesang, in dem die ganze Gruppe von Farbigen mit glänzenden Augen, mit wiegendem Oberkörper, mit den Armen ineinander gehakt, refrain-artig wiederholte, rhythmisch, klopfend: Aber ich bin jemand -but I am somebody……
Bei den Bürgerrechtsmärschen oder den Müllarbeiterstreiks, die Martin Luther King anführte, trugen die Demonstrierenden in der Regel Sandwichplakate auf ihren Körpern mit der Aufschrift: I am a Man. Ich bin ein Mensch. Der Baptistenpfarrer King ging stets vom biblischen Grundsatz aus, dass alle Menschen Kinder Gottes und gleich geschaffen sind, wie es in der amerikanischen Verfassung heißt. Dass Menschen sich als Nobody, als Sklaven fühlen, liegt nicht in der Natur des Menschseins, es ist ihnen von außen eingeredet. Manchmal so lange eingeredet, bis sie es selbst glauben.
Und heute? Teilt man die Menschen nicht immer noch nach Nobody und Somebody ein? Und sind diese Rollen nicht oft eingeredet? Auch in unserer Kirche? Dass Frauen in der kath. Kirche nicht Bischöfin werden dürfen, liegt das in der Natur des Menschseins oder in der Vorgabe der Bibel? Oder ist es ihnen eingeredet von denen, die sich selbst als Würdenträger sehen und behaupten wollen? In den Gemeinden, die ich geleitet habe, habe ich manchmal die Frage nach dem Priestertum der Frauen zur Disposition gestellt. Ausgehend vom Apostolat der Laien und des allgemeinen Priestertums auf dem 2. Vatikanischen Konzil. Manchmal waren gerade Frauen der Meinung: Wir wollen gar nicht Priesterinnen werden, wir finden das in Ordnung so wie es ist. Ist das solange von der „Tradition“ eingeredet, dass man es selbst glaubt?
Dass Täler sich heben und Hügel sich senken, ist das zentrale adventliche Bild von ausgleichender Gerechtigkeit und Gleichwertigkeit aller Menschen. Große adventliche Propheten wie Jesaja, wie Martin Luther King haben dieses Bild aufgegriffen, um für die Würde der Nobodies zu kämpfen. Denn in Genesis 1 steht doch schon, dass Gott den Menschen als sein Ebenbild schuf, und er schuf ihn als Mann und Frau. Da steht nicht: er schuf ihn mehr als Mann und weniger als Frau, mehr als weißen Menschen und weniger als farbigen. Er schuf und schafft ihn gleichwertig. So steht es in unserem Grundgesetz und in den Menschenrechten. Dass wir diese Würde des Menschseins in uns haben, wir müssen es uns selbst glauben. Martin Luther King ist für diesen Kampf für die Würde erschossen worden am 4. April 1968. Am Ort seines Todes, am Lorrainehotel in Memphis Tennessy, steht der Satz: Den Träumer haben sie erschossen, aber seine Träume leben weiter. Amen.