Predigt vom 10.8.2025 – Wo Euer Schatz ist

19.-So.-i.-J.

Wo euer Schatz ist, da ist euer Herz

Liebe Schwestern und Brüder,

„Wo euer Schatz ist, da ist euer Herz.“ Woran hängen wir unser Herz?

Diese Frage stellt das heutige Evangelium. Unter dem Leitwort „Passion im August“ wird heute das Martyrium von 2 Menschen verstanden, die ihr Herz gegeben haben für diese Welt, Maximilian Kolbe in Auschwitz ermordet am 14. August 1941 und Edith Stein am 9. August 1942. Edith Stein, ihr Fest hatten wir gestern. Sie wurde 1891 als Kind einer jüdischen Familie in Breslau geboren. Der hoch intelligenten Frau gelang es, Philosophie zu studieren und als erste Frau in Deutschland einen Doktortitel an einer philosophischen Fakultät abzulegen zum Thema Einfühlung, Empathie. Aber sie fühlte sich in diesen Jahren innerlich leer, fand keinen Sinn im Leben, geriet in tiefe Depression mit Selbstmordgedanken. Da fiel ihr 1921 das Werk der Theresa von Avila „Abenteuer der Seele“ in die Hände. Sie verschlang es in einer Nacht und wußte am anderen Morgen: Das ist es, das ist mein Leben, tief auf dem Grund der Seele Gott zu begegnen. Sie trat der katholischen Kirche bei, ließ sich taufen und firmen, ging zur Erstkommunion. Dieser mystische Weg führte sie schließlich in das Karmelkloster Maria Frieden in Köln. Sie wurde zu einer der wichtigsten geistlichen Schriftstellerinnen unserer Kirche. Als Jüdin musste sie zusammen mit ihrer Schwester Rosa, die auch Karmeliterin geworden war, nach Holland fliehen in das Kloster Echt. Nachdem die Nazis in Holland einmarschiert waren, wurde sie am 2. August 1942 verhaftet und mit ihrer Schwester Rosa über Westerbork nach Auschwitz deportiert, wo beide am 9. August vergast wurden. Auf dem Transport wurde Edith Stein von einem SS-Beamten, der offensichtlich katholisch war, erkannt. Er bot ihr an, sie frei zu lassen. Da sagte Edith Stein den Satz: „Jetzt ist mein Platz wieder an der Seite meines jüdischen Volkes.“

Wo euer Herz ist, da ist euer Schatz. Edith Stein hat dazu ein bewegendes Gebet geschrieben, das sie ihrer Schwester Rosa geschenkt hat:

Mein Herr und Gott,
Du hast mich einen langen, dunklen Weg geführt,
Steinig und hart.
Oft wollten meine Kräfte mir versagen,
Fast hofft’ ich nimmer, je das Licht zu seh’n.
Doch als im tiefsten Schmerz mein Herz erstarrte,
Da ging ein klarer, milder Stern mir auf.
Er führte mich getreu – ich folgt’ ihm,
Zagend erst, dann immer sich’rer.
So stand ich endlich an dem Tor der Kirche.
Es tat sich auf – ich bat um Einlass.
Jetzt grüßt mich Dein Segenswort.

Kurz gefasst war das ihr Leben. Sie war 1920 im Atheismus und in der Depression erstarrt. Dann fand sie Einlass in den Raum des Glaubens, der inneren Mystik, den Raum des Segens. Das machte sie heil und glücklich. Auf dem Weg nach Auschwitz sagte sie zu ihrer Schwester: Was vor uns liegt, können wir nur von innen her bestehen. Sie hat mit einem großen inneren Frieden den Schicksalsgefährtinnen Mut gemacht.

Wo euer Schatz ist, da ist euer Herz. Es sind so viele Schätze in dieser Welt , an die Menschen ihr Herz hängen: Die Regale der Supermärkte sind voll davon, auf den Autohöfen finden sich die tollsten Angebote und eine Reise auf die Malediven, das ist der größte Schatz.

Erfüllen all diese Schätze ein Leben mit Sinn? Oder bleibt da nicht eine Leere, ein Vakuum. Ein Vakuum, sagen Physiker, entwickelt eine große Sogkraft; es muss immer mehr sein; es entsteht eine Gier, die nie zufrieden ist. Der Schmerz der Seele wird immer stärker. Das Herz, die Seele, wovon die Bibel sprechen und Edith Stein, ist nicht der 300 g große Muskel, den wir alle haben, sondern Symbol für einen inneren Raum. Der Dichter Ernesto Cardenal schreibt:

„Alle Menschen nennen einen inneren Raum ihr Eigen. Dort unten in der Tiefen deiner Persönlichkeit, an den Quellen der Träume und der Mythen, da ist der Raum, an dem Gott ein- und ausgehen will. Steht dieser Raum leer, dann ist dein Leben erfüllt von Unruhe, Angst, Ungeduld und Überdruss, so lange der Liebkosung Gottes beraubt. Und dann kann es sein, dass die unterdrückte Seele morgens wach wird –- vielleicht nach einer Nacht voller Vergnügungen – und erschrocken ist über ihre innere Leere. In deinem Herzen wohnt der eisige Wind der Einsamkeit.“

„Doch als im tiefsten Schmerz mein Herz erstarrte,
Da ging ein klarer, milder Stern mir auf.“! Was für ein Satz!

Mit Theresa von Avila meint Edith Stein:

Man muss sich Zeit und Raum für Gott lassen,

dass aus einem kalten Herz ein mitfühlendes Herz wird,

aus einem erstarrten Herzen ein milder Stern,

aus der Eiszeit der Seele ein lebendiges Wasser der Liebe,

aus der inneren Leere und Langeweile ein brennendes Abenteuer.

Passion im August. Passion im August. Vor 10 Jahren habe ich Exerzitien in Auschwitz gemacht. Wir wollten an den Gräbern von Edith Stein, Maximilan Kolbe, Etty Hillesum u.a. Stationen des Gedenkens machen. Bei Kolbe gab es einen Ort, den Hungerbunker, aber nicht bei Edith Stein und den anderen. Von ihnen war nur eine Handvoll Asche geblieben, eine von über 1 Millionen Händen. Denn Auschwitz ist der größte Friedhof der Welt. Man geht da nur über die Asche von Verstorbenen. Als ich nach einer Woche wieder in den Bus steigen wollte, da waren meine Füße so schwer geworden von dem Gehen über die Asche, dass ich sie kaum noch heben konnte. Aber ein Gedanke hat die Erstarrung des Herzens gelöst: Den eigentlichen Schatz, den Schatz der Gottesbegegnung haben die Nazis nicht auslöschen können.


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