Niederknien?
Lk 9, 11-17
Liebe Schwestern und Brüder,
mit dem Fronleichnamsfest verbinde ich seit Kindheitstagen in unserem Dorf festlich geschmückte Straßen, Hauseingänge, Altäre, Blumenteppiche und den sakramentalen Segen in die vier Himmelsrichtungen. Segen für alles, was lebt: im Osten, Süden, Westen und Norden. Vor der Gegenwart Christi im Altarsakrament knieten wir nieder, d.h. wir machten uns klein, damit Christus in der Monstranz groß wurde, gemeint war die Monstranz unseres Herzens.
Niederknien ist eine besonders intime Ausdrucksform unseres Glaubens, eine intensive, innige Form der Christusbegegnung.
Der verstorbene Papst Franziskus hat durch seine symbolischen Handlungen darauf verwiesen, dass Jesus bei der Einsetzung dieses Sakraments am Gründonnerstag sich vor den Jüngern klein gemacht und ihnen die Füsse gewaschen hat. Franziskus hat in den Jahren seines Pontifikates in Nachahmung Jesu nicht wie seine Vorgänger ausgewählten Priestern die Füsse gewaschen, sondern hat sich demütig herabgebeugt zu Menschen am Rande, vor alten, kranken, obdachlosen, drogensüchtigen Menschen. Oft ging er dazu in Gefängnisse und schloss auch muslimische Menschen nicht aus.
Niederknien ist auch in anderen Bereichen zu eine Form von Hilferuf in unserer Zeit geworden, z.B. bei der Black-live-matter-Bewegung in den USA. Wenn sie bei Demonstrationen oder in Football-Stadien niederknien, dann wollen sie sagen: Schaut auf die Menschen ganz unten, die wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Nationalität oder ihrer gesellschaftlichen Stellung gedemütigt und diskriminiert werden.
Niederknien. Auf Gedemütigte hinzuweisen, geschieht bisweilen auch ohne Knien durch mutige Worte wie am 21. Januar 2025 in der Kathedrale von Washington, als der neue Präsident gerade am Tag zuvor eingeführt worden war. Die Bischöfin Marianne Edgar Budde von der amerikanischen Episkopalkirche hielt einen Gottesdienst vor dem gerade neu gewählten Donald Trump, seinem Vizepräsidenten J.D. Vance und dessen Familien. In der Predigt richtete die Bischöfin ihr Wort direkt an Trump und bat ihn, Barmherzigkeit zu üben gegenüber Menschen, die jetzt in Angst lebten. Minderheiten fürchteten jetzt um ihr Leben. Auch sei die große Mehrheit der Immigranten, die die schmutzigen und harten Arbeiten machten, keine Kriminellen. Sie bat Trump, jenen zu helfen, die vor Krieg und Verfolgung flüchteten, und um Mitgefühl und freundliche Aufnahme in den USA ersuchten und jetzt in Angst lebten. Have mercy, sagte sie mehrfach in dieser Predigt, seien sie gnädig, Mister Präsident. Aber dieser Präsident ist eben kein Mensch der Gnade, eher ein Präsident Gnadenlos. Nach dem Gottesdienst sagte Trump in die Mikrophone, die Predigt sei nicht gut gewesen, sondern dumm. Und die Bischöfin sei allenfalls eine linksradikale Hardlinerin.
Seien Sie barmherzig und gnädig, im heutigen Evangelium heißt das in einem Satz Jesu: Gebt ihr ihnen zu essen. Denn ich glaube, dass dieses Evangelium von der Brotvermehrung auch symbolisch gemeint ist. Es ist auf diesem Planeten und in unserem Land genug für alle da, wenn wir nur in der Lage sind zu teilen wie bei Lukas der kleine Jungen mit den 5 Broten und 2 Fischen. Es ist auch genug Menschlichkeit für alle da, wenn wir sie nur teilen. Jesus sieht die vielen vielen Menschen. Sie haben Hunger, Hunger vielleicht auch nach dem, was die Seele nährt, nach Gnade, nach Barmherzigkeit, nach Würde, Menschlichkeit, Gemeinschaft. Denn bei jedem Essen ist die Gemeinschaft mindestens genauso wichtig wie das Sattwerden des Magens. „Ihr, meine Jünger,“ sagt Jesus, „könnt den Menschen geben, was sie brauchen. Weil ich nicht in den goldenen Palästen des Himmels geblieben bin, sondern mich klein gemacht habe für euch (dargestellt im Zeichen der Fusswaschung), um euch zu geben, was ihr braucht, darum könnt ihr euch den Menschen zuwenden, vor allem denen am Rande. Ihr braucht ihnen nicht begegnen mit euren Vorurteilen, sondern einzig mit Barmherzigkeit.“
Niederknien. Wenn ich bei der Erstkommunionvorbereitung Kindern den Sinn der Gegenwart Christi erklären wollte, dann habe ich mit ihnen einen Kniebeuge gemacht und dazu gesagt: „Jesus, vor dir sind wir klein, aber mit dir sind wir groß, so groß, dass wir fähig sind für Barmherzigkeit, Gnade und Demut.“ Amen.