Predigt vom 9.8.2020 – Was trägt im Leben

2020_08_09_19._So._i._J.

Was-trägt-im-Leben

Mt 14,22-33

Liebe Schwestern und Brüder,

können Menschen übers Wasser gehen, wie Petrus?  Eine Schriftstellerin sagt: Dies sei eine Symbolgeschichte.  Manche Menschen müssen über ein Meer von Schmerz und Leid gehen. Und viele drohen in den Abgründen des Lebens  zu versinken.  Manchmal sehen wir Bilder von solchen Abgründen wie jetzt aus Beirut im Libanon oder von den Gedenktagen dieser Woche, am 6. August 75 Jahre Abwurf der ersten Atombombe auf Hiroshima, oder am 9. August auf Nagasaki. Symbol für diese Gedenktage ist in Japan der Kranich.

Der Kranich als Friedensymbol geht zurück auf ein keines Mädchen namens Sadako Sasaki.

„Als die Atombombe über Hiroshima explodierte, war Sadako Sasaki gerade zwei Jahren alt. Die radioaktive Strahlenkrankheit brach bei ihr erst 10 Jahre später aus, machte aber so fürchterliche Fortschritte, dass Sadako den Rest ihrer Tage im Krankenbett verbringen musste. Sadako kannte den alten japanischen Brauch: Wem es gelingt 1000 Kraniche in der komplizierten Origamitechnik zu falten, der hat einen Wunsch frei. Im Krankenhaus fing sie an, Kraniche zu falten.

Erst ging es mit dem Falten sehr schnell voran, aber dann wurde Sadako immer schwächer. Bald kostete sie jeder Kranich eine ungeheure Anstrengung. Als sie 1956 zum Sterben kam, hatte sie erst 644 fertig. Vom Totenbett aus hielt sie ihren letzten Kranich in die Höhe und sagte mit leiser Stimme: Dies ist mein Wunsch: „Ich schreibe Frieden auf Deine Flügel und du Kranich, trage ihn in die ganze Welt.“ 

Die Kinder Japans fühlen sich bis heute aufgefordert, Sadako beim Falten der Kraniche zu helfen.  Millionen von Kranichen werden jedes Jahr zum Hirohima-Gedenktag, am 6. August,  zu den Denkmälern gebracht.

Kraniche sind Wundertiere. Sie fliegen in einer Geschwindigkeit von 50 bis 70 Stundenkilometern und legen nicht selten bis zu 2000 Kilometer zurück, wenn sie nach Süden ziehen.

Kraniche werden getragen von der Luft und von den Winden. Das Boot auf dem Meer trägt das Wasser.

Aber was trägt uns im Leben? Was trägt uns, wenn wir manchmal über ein Meer von Schmerzen und Leid gehen müssen? Eine Familie, die in den letzten Monaten schweres Leid ertragen musste, sagt mir: Es trägt vor allem die Unterstützung in der Familie und die von guten Freunden.

Was uns darüber hinaus trägt, erzählt die Geschichte des heutigen Sonntags. Petrus springt ins Meer, in der Hoffnung, das Wasser würde ihn genauso tragen wie Jesus. Aber dann beginnt er zu zweifeln. Er verliert den Glauben an sich selbst und den Glauben an Jesus. Der Abgrund tut sich auf. Er droht zu sinken. Jesus hält ihn und sagt: Hast Du denn kein Vertrauen?

Es ist also das Vertrauen, das uns trägt, das Urvertrauen. Und Urvertrauen ist ein anderes Wort für Glauben.  Es ist z.B. am Anfang des Lebens so wichtig, den Kindern dieses Urvertrauen mit auf den Weg zu geben: Ihr seid auf dieser Welt gewollt, ihr seid geliebt, nicht nur von uns Eltern, sondern auch vom Schöpfer des Lebens. Das ist der ganze Sinn einer Taufe. Ausgestattet mit diesem Ur-vertrauen können Kinder den Sprung ins Leben wagen.

Was trägt im Leben? Wieder lernen wir von den Kranichen. Sie fliegen wie eine Eins, im Keil fliegen sie:

„Die Kraniche fliegen im Keil, so trotzen sie besser den Winden,

so teilen sie besser die Kräfte, weil die Stärkeren fliegen im vorderen Teil, und die Schwachen, die Schwachen fliegen hinten.“

Die Starken schützen die Schwachen, das ist die Politik einer Familie, einer christlichen Gemeinde, das müßte Ziel jeder Weltpolitik sein. Wie anders sähe die Welt aus, wenn Politiker wie Kraniche wären: Die Starken schützen die Schwachen.

„Ich schreibe Frieden auf Deine Flügel und du Kranich, trage ihn in die ganze Welt.“ 

Ich wünsche Ihnen, liebe Mitchristen, im Leben diesen Frieden, der aus dem Urvertauen kommt, aus dem Glauben, dieses Leben ist getragen auch von einer höheren Macht, die auch in der letzten Ausweglosigkeit noch einen Weg eröffnet, die sich selbst im Abgrund noch auffängt.

Als ich an meiner letzten Stelle noch Reli-Unterricht in der 7. Klasse einer Verbundschule gegeben habe, da habe ich einmal die Geschichte von Sadako erzählt und gesagt, dass ich solche Kraniche nicht falten kann. Denn die Japanische Falttechnik beinhaltet 36 Schritte. Da sagten einige der Jungen: Das wollen wir doch mal sehen. Sie nahmen die Faltanleitung mit und am anderen Tag fand ich vor meiner Haustür einen Berg von Kranichen. Da dachte ich: Auch so kann die Botschaft ankommen: Ich schreibe Frieden auf deine Flügel und trag ihn in deine kleine Welt.

Lasst uns wie Kraniche sein, dass wir unser Möglichstes geben: Die Starken in Groß und die Schwachen in Klein und trinken am Abend den gleich teuren Wein auf ein noch viel besseres Leben.

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