Predigt vom 28.06.2020 – Kreuzigung der Schöpfung

2020-06-28-13._So._i._J.

Kreuzigung der Schöpfung

Liebe Schwestern und Brüder,

jeder Freitag ist nach unserem christlichen Glauben ein kleiner Bruder des Karfreitags und jeder Sonntag ein kleiner Bruder des Ostersonntags.

Theologen sagen, dass es heute einen permanenten Karfreitag gibt in dreifacher Hinsicht: Einen Karfreitag der Tiere, einen Karfreitag der Menschen, einen Karfreitag der Pflanzen.

Der Karfreitag der Tiere: Als Kind habe ich einmal gesehen, wie ein Pferdegespann eine schwere Holzfuhre aus dem Wald ziehen musste. Die Tiere schafften das kaum. Ein Waldarbeiter schlug mit der Peitsche so stark auf die Pferde ein, dass eines zu bluten begann. Anschließend sah ich das Pferd im Stall. Ich meinte in seinen Augen eine große Traurigkeit zu sehen und hatte selber Tränen in den Augen. Karfreitag der Tiere. Warum müssen Menschen so auf die Schöpfung eindreschen? Zum eigenen Profit? Weil Tiere in ihrer Existenz nur noch Lebensrecht haben, insofern sie dem Zugewinn des Menschen dienen? Ich will mich hier gar nicht auslassen über die Massentierhaltung. Ich weiß nur eins: Nach unserem Glauben sind die Tiere in der Evolution unsere älteren Geschwister. Und der Schöpfungsbericht der Bibel ist nach Gen 1,29 vegetarisch: „Nur von den Gewächsen der Erde, heißt es da, gab er ihnen zu essen.“

 

Der Karfreitag der Menschen. Von der Geschwisterlichkeit der Tiere hat vor allem der Heilige Franziskus im 12. Jhdt. gesprochen. Er nannte sogar den Wolf Bruder Wolf.

Es tut mir in der Seele weh, dass heute der Tag ist, da nach über 370 Jahren die Nachfolger des Franziskus in Wiedenbrück, die Franziskaner, ihr Kloster auflösen. Sie haben den franziskanischen Geist verbreitet und sich auch stark um die Werksvertragsarbeiter gekümmert. Dazu ein Beispiel aus dem Jahre 2015. Acht Rumäninnen wohnten in einer Wohnung mit zwei Zimmern, einer kleinen Küche und einem Bad, für mehr als 1600,–€ Miete. Eine dieser Rumäninnen wurde schwanger. Die Kolleginnen sagten: Lass dich bloß nicht damit erwischen, sonst schicken sie dich gleich nach Rumänien zurück. Die junge Frau versteckte die Schwangerschaft so gut es ging. Am Ende brachte sie unter abenteuerlichen Umständen ihr Kind allein auf einer Palette in einer Werkshalle zur Welt und legte es in ihrer Verzweiflung in einer Plastiktüte an der Müllkippe hinter dem Mediamarkt in Gütersloh ab. Zufällig kam ein Ehepaar vorbei, das das Kind wimmern hörte und es rettete. Die Polizei verhaftete die Frau. Aber die Richterin erkannte, dass diese Frau völlig traumatisiert war und gab sie in die Obhut der IG Werksvertragsarbeiter, die ihr  Unterkunft verschafften bei den Franziskanern.  Die Frau bekam Gott sei Dank nur eine Bewährungs-strafe. Sie und ihr Kind werden aber zeitlebens mit diesem Trauma zu tun haben. Der Fleischbaron sagte nur: Mich geht das alles nichts an; die Frau war schließlich beim Subunternehmer in Rumänien angestellt. Karfreitag von Menschen im Herzen von  Westfalen.

 

Einmal sagte mir Meko, ein Werksvertragsarbeiter aus Bulgarien: Wissen Sie, das Schlimmste sind für mich gar nicht die Wohnverhältnisse, für mich ist das Schlimmste dieses pausenlose Angeschrien-Werden bei der Arbeit: „Mach schneller, schneller, schneller….Du Schlappschwanz“ Noch viel schlimmerer Ausdrücke wusste er zu nennen.“ Permanente Demütigung, Karfreitag mitten in Westfalen.

 

Und schließlich der Karfreitag der Pflanzen. Ich muss nicht wiederholen, dass zur Zeit jeden Tag 130 Pflanzenarten ausgerottet werden. Was der Klimawandel auch bei uns bewirkt, sehen wir in den nahen Wäldern.

Ein Horror die Abholzung der Regenwälder im Amazonas und anderswo.

Aber es gibt auch positive Beispiele. So entsteht z.B. mitten  durch Afrika entlang der Sahelzone eine „Große Grüne Mauer“, die 8000 km lang und 15 Km breit sein wird. Getragen wird das von der Afrikanischen Union und von der Organisation der UNO gegen Wüstenbildung. Das kann man unterstützen, dafür kann man spenden.

 

Bei solchen Themen stellt sich am Ende immer die Frage: Was kann ich persönlich einzelner denn machen? Ich bin doch ohnmächtig. Natürlich können die großen Fleischbarone oder die Präsidenten von China und den USA tausendmal mehr in dieser Welt verändern als ich. Und dennoch sagt Jesus heute im Evangelium: Nehmt das Kreuz auf euch, und zwar jeder einzelne Christ. Seht die Kreuze eurer Zeit, stellt euch dem dreifachen Karfreitag und überprüft, ob ihr das Leben nicht verliert, wenn ihr einfach so weiter macht. Nach der Devise „Weniger ist mehr“  kann ich mein Leben verändern. Ich kann zum Transformer werden, zum Verwandler, wenn  ich z.B. meine Bewegungsprofile überdenke, meine Reisegewohnheiten, oder meine Ess- und Wohnbedingungen überprüfe. Und wenn ich zum Transformer werde, dann fragen sich automatisch Menschen in meinem Umfeld: Vielleicht könnte ich das ja auch tun.

 

Dieser Jesus von Nazareth ist unsere Lebensorientierung. Und er ist in die Welt gekommen, um die Welt zu retten. Er kann es aber nur durch uns. Das ursprüngliche Zeichen von Jesus ist nicht das Kreuz, sondern in der ersten Kirche war es der Fisch. Das Griechische Wort für Fisch, ichtys, bedeutet in seinen einzelnen Buchstaben: Jesus Christus, Sohn  Gottes, Erlöser. Als ich einmal Bilder sah von Fischen, die durch den Meeresmüll am Strand verendeten, da habe ich auf diese Beziehung von Jesus und den Fischen mal ein Gedicht gemacht. Es heißt:

 

Im Zeichen des Fisches

 

Einst in grauer Vorzeit auf Erden,

kamen die Meeresbewohner an Land,

um am Ende Menschen zu werden

und zahlreich zu sein wie der Sand.

 

Stetig und langsam formten aus Kiemen sich Ohren,

Flossen dehnten zu Armen sich und Händen,

aus Schwimmblasen wurden Lungen geboren,

Lippen begannen Laute und Worte zu senden.

 

Leben heißt  ohn` Ende sich wandeln

Großer Reichtum der Natur,

da Gott beschloss zu handeln,

in Zeichen und Wundern: seine Spur.

 

Heute siehst Du sie wieder an Land:

Verstummen, verzucken, ersticken und sterben,

getrieben von Öl und Müll an trockenen Strand,

in dieser Welt voll zerbrochener Scherben.

 

Denn der Mensch begann zu handeln,

und Leben in Tod sich verwandeln.

 

Der Kultur des Todes Einhalt zu gebieten

beschloss Gott, selbst Mensch zu werden,

öffnete Hände und Herz in vielen Gebieten,

ließ atmen den Geist in allem auf Erden.

 

Sprach Worte des Segens über Fische und Brot,

er teilte, vermehrte, verschenkte sein Leben

und heilte die Menschen in Angst und in Not,

die Welt zu versöhnen: das sollte geschehen.

 

Seitdem feiern die Christen das Fest der Versöhnung,

in Gräbern und Kirchen, im irdischen Zelt,

im Zeichen des Fisches steht die Erlösung,

Jesus, Sohn Gottes, hilf retten die Welt.

Ullrich Auffenberg

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