Predigt vom 21.4.2019 -Ostersonntag

2019-04-21_Ostersonntag

Lk 24, 1-12

Selbstbestimmter Tod?

Liebe Schwestern und Brüder,

Ich nehme an, dass sie bei diesem wunderbar vorhergesagten Wetter heute einen Spaziergang machen. Wie ein solcher Spaziergang vor 200 Jahren aussah, schildert Goethe in seinem berühmten Gedicht im

Faust I.

Osterspaziergang

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche

Durch des Frühlings holden, belebenden Blick;
Im Tale gründet Hoffnungs-Glück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in raue Berge zurück.

Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurück zu sehen.

Aus dem hohlen finstern Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden,
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbes-Banden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.

So hat man vor 200 Jahren auch in Siddinghausen gelebt: In niedrigen Stroh bedeckten Häusern, dumpfen, muffigen Gemächern, den Qualm des offenen Herdfeuers in den Augen. Wie sehr sehnte man da den Frühling herbei, einen wunderbaren Tag wie heute.

Und man hat gedacht, Auferstehung müsste so etwas sein, wie die wärmenden Strahlen der Frühlingssonne, Auferstehung aus der panischen Angst der Verzweiflung, aus der quetschenden Enge des Todes.

Genau das hat man in den letzten 2 Wochen diskutiert in Deutschland, im Bundestag und beim Verfassungsgericht. Wie komme ich heraus aus der Aussichtslosigkeit unheilbarer Krankheiten, dem absoluten Ausgeliefertsein an Pflegkräfte. Man denkt nach in Deutschland über aktive Sterbehilfe, über den selbstbestimmten Tod.

In der erwähnten Tragödie „Faust I“ beschreibt Johann Wolfgang von Goethe, wie sich besagter Dr. Faust aus Verzweiflung über sein scheinbar unerfülltes Leben das Leben nehmen will. Gerade aber, als er das tödliche Gift trinken will, hört er die Glocken der Kirche und den Gesang der Engel: „Christ ist erstanden“. Das hält ihn von seinem Tun ab, bringt ihn aber dennoch nicht zum Glauben, und es fällt der berühmte Satz: „Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube …“.Auch wenn er nicht glauben kann, dieser Dr. Faust, so hält ihn die Osterbotschaft doch davon ab, über den Zeitpunkt seines Todes bestimmen zu wollen.

Gibt es den selbstbestimmten Tod? Kann ich über mein Leben selbst bestimmen, über meine Geburt?

Ich wurde nicht gefragt bei meiner Geburt
und die mich gebar wurde auch nicht gefragt bei ihrer Geburt
niemand wurde gefragt außer dem Einen
und der sagte Ja…“ schreibt Kurt Marti in einem Gedicht.

Mein Tod gehört mir. So argumentieren die Anhänger der aktiven Sterbehilfe in unseren Tagen. Ich kann das intensive Anliegen von vielen von Ihnen teilen, wenn Krankheiten unaushaltbar werden, und nur noch Not den Menschen bestimmt. Ich möchte nicht in die Situation kommen, dann eine Entscheidung fällen zu müssen.

Aber nach unserem Glauben stimmt der Satz nicht: Mein Tod gehört mir.

Einer meiner Lehrer, ein Theologieprofessor in Freiburg, hat uns eingebläut: Nichts was lebt, gehört mir, nicht einmal der kleine Finger gehört mir. Alles ist gratis, alles Leben ist Gnade, und ist am Ende Erlösung. Denn Christ ist erstanden, und wir alle werden ihm folgen. Das ist die Grundlinie des gesamten neuen Testaments.

Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube …“ Faust möchte diesen Osterglauben beweisen, und er scheitert. Dieser Glaube findet sich allein im Herzen wie in Faust I bei der 14-jährigen Margarete, die dem Dr. Faust die berühmte Gretchenfrage stellt. „Du bist ein herzensguter Mann. Aber sag mir, wie hälst Du`s mit der Religion. Allein mir scheint, Du hälst nicht viel davon.“ Faust weicht dieser Frage aus, flüchtet sich in seine Wissenschaft. Gretchen aber macht deutlich: Man kommt ohne die Entscheidung nicht aus, Ja oder Nein zu sagen zur Religion. Und was hindert uns, den Satz des Dr. Faust für uns umzudeuten. Ich höre die Osterglocken, ich spüre den heraufziehenden Frühling; Die Botschaft hör ich wohl und sage JA, Amen, ich glaube; im Interesse der Toten, deren Gräber wir eben auf dem Friedhof besucht haben, im Interesse auch der eigenen Endlichkeit. Die Botschaft hör ich wohl – Ja, ich glaube, sonst nichts. Amen.

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