Predigt vom 24.2.2019 – Respektlos

2019_02_24_7.So._i._J. – LK 6,27-38

Thema: Respektlos

Liebe Schwestern und Brüder,

in dieser Woche ist Karl Lagerfeld gestorben, der Großunternehmer und Modezar vom Hause Chanel. In einer Biographie über ihn habe ich mal gelesen, seine Lebensdevise sei: „Respekt führt nur in die Pleite, wer erfolgreich sein will, muss über Leichen gehen.“ Ich weiß nicht, inwiefern Lagerfeld das in seinem Unternehmen auch so rücksichtslos umgesetzt hat.  Aber ich halte das für einen gefährlichen Satz.  Wenn Respektlosigkeit und Erfolg die Lebensmaxime sind, was ist dann mit all denen, die auf Rücksichtnahme angewiesen sind, mit den kranken, den behinderten, den alten gebrechlichen und pflegebedürftigen Menschen? Mit denen, die im Produktionsprozess nichts leisten können?

Es gab einmal 12 Jahre in Deutschland, da man meinte, diese Menschen gehörten abgeschafft, Behinderte müsse man z.B. ins Gas schicken. Damals stand der Löwe von Münster auf, der Kardinal von Galen, und hat in seiner Predigt vom 3. August 1941 die denkwürdigen Sätze gesagt: „Wenn man den Grundsatz aufstellt und anwendet, dass man den unproduktiven Menschen töten darf, wenn also der Mensch nur ein Lebensrecht hat, wenn er leistungsfähig, dynamisch und erfolgreich ist, dann wehe uns allen, wenn wir alt und altersschwach werden.“ Es ist ein Wunder, dass v. Galen für solche Sätze nicht ins KZ kam. Von Galen hat deutlich gemacht, dass es bei Gott genau umgekehrt ist. Bei ihm zählen nicht die Leistung, die Karriere, der Erfolg, sondern nur Respekt, Rücksichtnahme, ja sogar die absolute Gewaltlosigkeit. Wer dich auf die rechte Wange schlägt, dem halte auch die linke hin. So weit geht er im heutigen Evangelium. Zurückschlagen, Rache führt nur zur Gegenrache und damit zu einer Eskalation der Gewalt.

 

Stehen wir nicht gerade in diesen Wochen vor einem Abgrund von Gewalt? 31 missbrauchte Kinder auf einem Campingplatz bei Detmold. Tausendfache Gewalt an den wehrlosesten aller Menschen. Und wie viele schauten zu, selbst Behörden. Und dann in unserer Kirche, der Missbrauchsgipfel in Rom. In meiner Ausbildung habe ich gelernt, Priester und Ordensleute sollten mit ihrer Vorbildfunktion, mit dem Zölibats- und Keuschheitsideal den „Himmel offen halten, damit gerade die Schwächsten der Schwachen eine Hoffnung haben.“ Manche haben andere Pforten geöffnet und die kleinsten in die Hölle schauen lassen. Ich kann da verstehen, wenn viele den Glauben an die Kirche verlieren.

Ich fühle mich erinnert an Worte von Dietrich Bonhoeffer, der 1942 aus dem Gestapogefängnis geschrieben hat: „Sind wir als Kirche noch brauchbar? Wir sind stumme Zeugen böser Taten gewesen. Wir haben uns rausgeredet und gerechtfertigt, warum wir geschwiegen haben. Wir sahen das Böse das Haupt erheben und hatten doch nur Angst um unser eigenes Leben?“

 

Es haben auch jetzt in unserer Kirche wie auf dem Campingplatz bei Detmold so viele geschwiegen, selbst Bischöfe und Personalchefs. Warum? Auch aus Angst, aus Angst vor einem Imageverlust der Kirche, der jetzt erst recht eingetreten ist. Ich wünschte mir, dass das Treffen in Rom diese Frage beantwortet: Sind wir als Kirche noch brauchbar für das dritte Jahrtausend? Oder brauchen wir nicht eine neue Kirche, die nicht mehr von oben, sondern von unten lebt. Von den ersten Christen hieß es: Das sind die Anhänger eines neuen Weges. Und dieser Weg heißt: Seht, wie sie einander lieben.

 

Das Böse, das heute sein Haupt erhebt, heißt Respektlosigkeit. An die Stelle von Rücksichtnahme steht oft die Devise Amerika first, nicht nur in der Politik, Ich zuerst allerorten, selbst in unsere Kirche. Wir brauchen in unserer Kirche wieder mehr Graf von Galens oder Bonhoeffers, Menschen, die den Mut haben, nach unten zu schauen und nach unten zu leben. Es wäre so fatal, wenn so viele Menschen mit dem Glauben an die Kirche auch den Glauben an diesen Mann aus Nazareth über Bord werfen, der als einziger in der Weltgeschichte radikal vorgelebt hat, was die Welt wirklich humaner macht: Nicht die Haltung ICH ZUERST, sondern ICH ZULETZT. Mein Glück führt nur über das Glück des anderen und nicht über Leichen.

 

Deshalb möchte ich Sie einladen, liebe Mitchristen, bei aller Enttäuschung über den derzeitigen Zustand der Kirche, die ich in vielen Bereichen teile: Halten Sie sich in ihrem Leben und im Leben ihrer Kinder an diesen Jesus Christus, der nichts anderes vermitteln will, als dass ein Mensch frei lebt und glücklich, –  und eines Tages in den Himmel kommt. Amen.

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2 Gedanken zu „Predigt vom 24.2.2019 – Respektlos

  1. Guten Tag Ulli.
    Wir sind nach 8 Wochen, mit vielen positiven Eindrücken aus Kolumbien am 11. April wieder in Körbecke an gekommen.
    Ich habe gerade einige deiner Predigten gelesen. Mir fiel die Predigt von „Respektlos“ besonders auf und habe mich an Teresa erinnert, wie sie respektvoll mit den Menschen mit geistiger Behiderung umgeht.
    Ich habe einiges gelernt. Lieben Gruß vom Möhnesee Otto

  2. Lieber Ulli,
    danke für diese konkrete Lebenshilfe. Ich bitte um die Kraft des Heiligen Geistes, dass er mir Wege zeigt, wie wir der zum Schluss deiner Predigt ausgesprochenen Einladung folgen können.
    Herzliche Grüße
    Erhard Hoheisel

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