2017-11-28_Christkönig
Schrifttext Mt, 25-46
Die Melodie Gottes
Liebe Schwestern und Brüder,
da ist eine Hochzeit mit einer jungen wunderschönen Braut. Sie trägt ein
hübsches kostbares Brautkleid. Der Bräutigam stammt aus einer gut
betuchten Schicht der Stadt. Es soll bei dieser Hochzeit an nichts fehlen.
Die beiden lieben sich. Das merkt jeder.
Aber dann, aber dann kommt der Hochzeitstanz, der alles verändert.
Die Musik intoniert rhythmische fröhliche Klänge. Das Hochzeitspaar
beginnt zu tanzen. Doch was geht da plötzlich in der Braut vor? Die
scheint ja ganz abwesend. Da liegt sie in den Armen des Bräutigams,
wie in Hypnose, wie in Trance, die Augen sehnsuchtsvoll nach oben
gewandt, als schaue sie in eine ganz andere Welt. Sie scheint zu
schweben, getragen von völlig anderen Klängen. Die Musiker sind
irritiert. Nach und nach hört einer nach dem anderen auf zu spielen, bis
die Musik völlig verstummt. Aber die Braut lässt sich davon nicht
beeinflussen, sie tanzt weiter, die Arme ausgebreitet, ganz leicht
schwebt sie durch den Raum, folgt einer inneren Melodie. Schließlich
sinkt sie erschöpft zu Boden. Der Bräutigam hebt sie auf und fragt:
Cäcilia, was war mit Dir? Und Cäcilia, noch ganz bei sich antwortet: Es
war eine ganz seltsame unbegreifliche Melodie in mir, sphärische Klänge
wie aus einer großartigen Welt, aus einer ewigen, aus einer göttlichen
Welt.
So oder ähnlich könnte sich die Legende von der Heiligen Cäcilia vor
1700 Jahren in der Stadt Rom ereignet haben. Ein junges Mädchen hat
durch die Musik eine Gotteserfahrung gemacht. Cäcilia ist seitdem die
Patronin der Kirchenmusik. Viele Chöre feiern an diesem Novemberwochenende ihr Patronat.
Die Melodie Gottes klingt in jedem von uns. Hören wir sie? Schließen
Sie mal einen Moment Augen, Mund und Ohren (ganz leise Orgelmusik)
— Hörst Du die Melodie Gottes in Deiner Seele
Dass Gott in uns klingt, wird heute am Christkönigsfest in einem Text
des Matthäusevangeliums ganz drastisch gesagt, einem Text den man
das Grundgesetz, die Verfassung, die Magna Charta des Christentums
nennt. Die Melodie Gottes klingt vor allem in den Menschen am Rand,
den Obdachlosen, den verhungernden Kindern im Jemen, den
Flüchtlingen, die noch immer umkommen, in Wüsten und auf Meeren.
Sie klingt in den Gefangenen der Türkei, aber auch in den Kranken, die
auf der Intensivstation um ihr Leben ringen. Denn Christus selbst sagt
von sich: Ich war hungrig, krank, ohne Asyl und Du hast das gemerkt.
Ich war hungrig. Geht mich, geht Sie das was an? Manchmal hungert
dieser Christus auch in dir mitten im Wohlstand, im Überfluss, wenn Dein
Leben so leer zu sein scheint und du hungerst nach einem guten Wort,
einem Trost, einem Sinn im Leben.
Dann wieder ist dieser Christus in Dir obdachlos, wenn Du kein Dach
über Deiner Seele hast, Dich von anderen Menschen nicht verstanden
fühlst, einsam und isoliert bist.
Ich war nackt, ohne Kleidung ohne jede Würde. Wenn sie dich bloß
gestellt, gemobbt, gedemütigt, entwürdigt haben, auch dann summt die
Melodie Christi in Dir und flüstert leise Dir zu: Ich verurteile dich nicht, ich
lasse dich nicht im Regen stehen. Ich bleibe deine innere Kraft, dich zu
wehren und den Mund aufzumachen.
Ich war im Gefängnis. In diesem deutschen Land der Freiheit sind viele
Menschen im inneren Gefängnis, in Zwängen und in Ängsten. Es treibt
sie um die Angst, nicht gut genug zu sein, sich schämen zu müssen für
Lebensbrüche. Sie ziehen sich zurück in die eigenen vier Wände, in die
Mauer der eigenen Seele. Dann ist die Melodie Gottes wie die Trompete
von Jericho und sprengt die Mauer deiner Selbstisolation auf.
Meine erste Glaubenserinnerung war mit 4 oder 5 Jahren der Tod einer
Großtante von mir. Sterbenskrank hatte sie immer das leise Summen
eines Liedes auf den Lippen, manchmal hauchte sie auch leise immer
dieselben Worte dieses Liedes: Jesus, Dir leb ich, Jesus Dir sterb ich.
Seitdem weiß ich: Sterben ist Jesusbegegnung. Er stand am anderen
Ufer und holte die Großtante dort ab. Darum ist das mein Lieblingslied
und ich versuche es in die Gottesdienstplanung vor der Kommunion
möglichst häufig einzubauen.
Aber Leben ist ebenso Jesusbegegnung. Seit Weihnachten, der
Menschwerdung Gottes, begegnet uns in jedem Menschen etwas
Göttliches. Etty Hillesum, eine jüdische Lehrerin aus Holland, die 1943 in
Auschwitz vergast wurde, sprach auf dem Weg dorthin dieses Gebet:
Guter Gott, das Einzige, was jetzt wichtig ist: Wir müssen ein Stück von
Dir in uns selber retten. Wir müssen mithelfen, dich in den gequälten
Herzen der anderen auferstehen zu lassen.
Manchmal denke ich: Wenn die Parteien in Berlin das auf dem Schirm
hätten, dass es gerade nach der Erfahrung von Auschwitz einzig darum
geht, ein Stück von Gott in diesem Land zu retten, dann kämen sie
schneller in die Pötte. Denn wenn wir Gott retten, dann retten wir
automatisch auch alles andere.