2018-03-11_4._Fa._So.
Schwer in Ordnung ,Joh 3,14-21
Wer die Wahrheit tut, kommt ans Licht.
„Wenn durch einen Menschen ein wenig mehr Liebe und Güte, ein wenig mehr Licht und Wahrheit in der Welt war, hat sein Leben einen Sinn gehabt.“ Dieser Spruch ist auf vielen Todesanzeigen zu lesen. Ich frage mich manchmal: Kann man das von Dir sagen, wenn Du an des Lebens Rand trittst. Durch dich war ein bischen mehr Licht in der Welt? Oder war da mehr Schatten? Habe ich mehr Ärger, Streit, schlechte Laune in die Welt gebracht?
Dann wieder tröstet mich die Erfahrung, dass ich in meinem Leben schon weit über tausend Beerdigungen begleitet habe und eigentlich feststellen muss: Etwas Licht war durch jeden dieser Verstorbenen in der Welt, manchmal spärlich, aber immerhin.
Von manchen Menschen sagen wir sofort: Der Mensch hat Ausstrahlung, der bringt eine Menge Licht ins Leben. Bisweilen höre ich Eltern stolz von ihrem Kind sagen: Unser Kleiner ist ein richtiger Sonnenschein. Dann denke ich: was ist mit den anderen Menschen, die nicht so leicht ins Leben finden, die sich schwer tun, die möglicherweise sogar Einschränkungen haben, Handycaps? Haben die kein Licht in sich?
In diesem Zusammenhang ist in der letzten Zeit ein schöne Sache geschehen in Pinneberg. Da war Hannah, ein 14-jähriges Mädchen mit Down-Syndrom. Sie hatte einen Behindertenausweis, auf dem der Vermerk stand „Schwer behindert“. Hannah hat das geärgert. Und sie sagte sich: Ich will nicht immer vor dem Busfahrer, oder vor der Kassiererin an der Kinokasse, am Zoo stehen, den Ausweis vorzeigen und doof angeguckt werden, nur weil da steht „schwer behindert“. Dann hat sie kurzerhand auf der Hülle des Ausweises das „schwer behindert“ durchgestrichen und stattdessen geschrieben „schwer in Ordnung“.
Hannah wollte damit sagen: Ich bin nicht aus der Ordnung der Menschlichkeit gefallen, nur weil ich ein Handicap habe. Ich gehöre zur Ordnung dieser Welt genauso dazu wie allen anderen. Und sind nicht gerade Down-syndrom- Menschen richtige Strahlemenschen, die andere mit ihrer Direktheit und Fröhlichkeit total anstecken können? Und fehlte nicht eine ganze Menge Licht, wenn es diese Menschen nicht gäbe? Ich finde es auf diesem Hintergrund geradezu tragisch, dass inzwischen frühe Formen von pränataler Diagnostik immer mehr dazu führen, dass diese Menschen nicht mehr auf die Welt kommen. Da ist das Verhalten von Hannah ein Fanal: Seht mal, wir sind strahlende Menschen. Hannah hat die Menschen sehr bewegt, so dass sogar die Sozialsenatorin von Hamburg die Erlaubnis gegeben hat, dass auf allen Hüllen von sog. Behindertenausweisen der Vermerk stehen darf: Schwer-In-Ordnung-Ausweis.
„Wenn durch einen Menschen ein wenig mehr Liebe und Güte, ein wenig mehr Licht und Wahrheit in der Welt waren, hat sein Leben einen Sinn gehabt.“
Schwer behindert, schwer in Ordnung. Sind wir nicht alle beides. Manchmal fühlen wir uns im Leben so behindert, so down und deprimiert, so klein, so mickrig, so schuldig, so von anderen Menschen niedergemacht, dass wir Behinderte unserer Sprache sind und kein Wort mehr rauskriegen. Dann wieder sind wir schwer in Ordnung, dann nehmen wir teil am Leben, haben Freude und Glanz in den Augen. Licht und Schatten wechseln einander ab. Das ist das Spannende am Leben. Wer wüsste denn schon, wie schön der Frühling ist, wenn er nicht die Kälte und Dunkelheit des Winters kennen würden.
Bleibt aber die andere Frage: Hat jedes Leben auch einen Sinn gehabt?
Wer die Wahrheit tut, kommt ans Licht. Das Leben von Hannah hat schon deshalb einen Sinn gehabt, weil sie die Wahrheit gebracht hat, dass ein Mensch nicht nach Leistung, nach Aussehen und äußerer Schönheit bewertet werden darf, sondern nach seinem inneren Licht, nach seinem Charakter und nach seiner Fähigkeit, Liebe in die Welt zu bringen.
Als im Jahre 2009 Teresa Enke, die Frau von Robert, dem deutschen Nationaltorhüter, der sich das Leben genommen hatte, den Tod ihres Mannes betrauerte, wurde sie gefragt, was sie denn tröste? Da hat sie einen Satz von Vaclav Havel, dem großen tschechischen Dichter und Staatspräsidenten, zitiert:
„Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas einen Sinn hat, egal, wie es ausgeht.“
Teresa und ihre Familie leben bis heute davon, dass die wenigen Jahre, die sie mit Robert leben durfte, einen Sinn hatten, nicht nur für Fußballdeutschland, sondern vor allem für sie persönlich, weit über die Grenze des Todes hinaus. Als Nationaltorwart konnte Robert Enke schnell durch Manuel Neuer ersetzt werden, aber nicht als geliebter Mensch.
„Wenn durch einen Menschen ein wenig mehr Liebe und Güte, ein wenig mehr Licht und Wahrheit in der Welt waren, hat sein Leben einen Sinn gehabt.“ Ich wünsche uns allen, liebe Mitchristen, dass wir am Ende unseres Lebens sagen können: Mein Leben hat einen Sinn gehabt, und ich bin einverstanden so wie ich es gelebt habe. Amen.