2018-01-27- Predigt zum 4. Sonntag im Jahreskreis 2018 Authentisch sein
Mk 1,21-28
Liebe Schwestern und Brüder,
das Meinungsumfrage-Institut Forsa hat im letzten Jahr eine Umfrage gemacht zu der Frage: „Welche Einrichtungen und Institutionen in Deutschland genießen bei Ihnen das größte Vertrauen?“ Das Ergebnis war: Mit 80 % Zustimmung standen die Universitäten ganz oben, gefolgt von der Polizei, den Schulen und dem Verfassungsgericht. Die evan-gelische Kirche rangierte mit 45 % im Mittelfeld, die katholische Kirche landete mit 27 % an 29. Stelle von 38 Befragten, direkt vor den Banken, der Börse und dem Zentralrat der Muslime, also im untersten Drittel.
Eine Einrichtung wie unsere Kirche, deren Kernthema Vertrauen, Glaube ist, hat in der Öffentlichkeit kaum noch Glaubwürdigkeit? Das läßt mich nicht kalt. Woran liegt das? Am Missbrauchsskandal, am Reichtum, an der Moral oder der Monotonie der Gottesdienste, an dem negativen Bild, das viele Medien verbreiten? Gründe mag es viele geben. Ich will dem nicht nachgehen. Ich frage mich nur: Fehlt in dieser Gesellschaft etwas, wenn die Kirche fehlt? Oder stärker gefragt: Fehlt etwas, wenn Gott fehlt, wenn Jesus fehlt? Von Jesus wird heute im Evangelium gesagt: Er sprach wie einer, der Vollmacht hat, also wie einer, der echt, authentisch, der glaubwürdig ist. Darum schlug er so viele Menschen in seinen Bann. Er hatte diese Glaubwürdigkeit, die wir so vermissen.
Fehlt etwas, wenn Gott fehlt? Der Philosoph Nietzsche sagt: „Wenn Du dich von Gott lossagst, Mensch, dann sei dir gewiss, was die Folge ist. Dann hast Du in Leid, Krankheit und Sterben keinen ewigen See mehr, in den deine Klagen abfließen, keinen unumstößlichen Berg, auf dem Deine Einsamkeiten Platz finden, keine unüberwindbare Mauer, an der Deine endlosen Gedanken und Sorgen abschirren können. Sich von Gott loszusagen ist, als wenn man die Erde von der Sonne loskoppelt. Die Menschen irren durchs unendliche Nichts. Nur der leere Raum haucht sie an. Der Glaube an ewige Wahrheiten und ewige Werte wird hinfällig. Der Mensch allein entscheidet über Wahr und Falsch, über Gut und Böse. Führt das nicht in den Abgrund?
Gut, nun kann man sagen: Wir brauchen Gott, aber nicht die Kirche. Beten kann ich auch im Wald. Ich habe meinen Glauben nicht unterm Baum gelernt, sondern in der Gemeinschaft der Kirche, durch die Gebete und Geschichten meiner Eltern, Religionslehrer und Seelsorger. Glaube erwacht nur in Gemeinschaft. Und wie sehr eine Glaubens-gemeinschaft berühren kann, das hat man doch gemerkt, als hier vor 2 Wochen die Katharinenschwestern verabschiedet wurden. Diese Schwestern haben hier in Wewelsburg offensichtlich über 65 Jahre Glaubwürdigkeit gelebt. Das ging vielen zu Herzen. Glaube vom lateinischen Credo, Credere abgeleitet, heißt wörtlich übersetzt: Sein Herz geben. Die Schwestern haben hier viel Herz geben, aber selbst auch große Herzlichkeit aus Wewelsburg empfangen.
Und wenn wir hier in Wewelsburg das Projekt „Kirche an der Burg“ gründen, dann wollen wir diesen Glauben, der Dein Herz berührt und der dir hilft zu leben, weiter führen. Wir möchten im ehemaligen Schwesternhaus den Raum, den die Schwestern schon für Bibelgespräche genutzt haben, weiterhin anbieten als eine Art Hauskirche, als Heimat für die nach Sinn und Glauben Suchenden. Wir möchten die leer stehende Tenne als katechetischen Erlebnisraum gestalten, damit, Kinder, Jugendliche, Familien, ältere Menschen über alle Sinne vom Glauben berührt werden. Zwischen Kirche und Burg soll eine Verbindung entstehen, damit z.B. Besucher der NS-Ausstellung in dieser Kirche zur Ruhe, zum inneren Frieden kommen und im Glauben Entlastung vom Bösen und von Schuld erfahren.
Heute ist der 27. Januar, der Gedenktag für die Opfer des National-sozialismus. Im Konzentrationslager Niederhagen und auf der Burg sind viele Menschen gerade wegen ihrer christlichen Überzeugung um- gekommen, Zeugen Jehovas, die den Wehrdienst im Dritten Reich verweigert haben, weil Jesus im Evangelium Gewaltlosigkeit fordert bis zu dem Satz: Liebet Eure Feinde. Wie vielen von diesen Opfern mag Gott gefehlt haben, mögen geschrien haben: Warum hilft Du uns nicht?
Etty Hillesum, eine holländische Jüdin, die mit 29 Jahren in Auschwitz ums Leben gekommen ist, hat über genau diese Frage „Warum hilfst Du nicht Gott?“ folgende Sätze in ihr Tagebuch geschrieben:
„Es sind schlimme Zeiten, mein Gott. Ich verspreche Dir etwas Gott, nur eine Kleinigkeit: Ich will dir helfen, dass Du mich nicht verlässt. Es wird mir immer deutlicher, dass Du uns nicht helfen kannst, sondern, dass wir Dir helfen müssen. Und dadurch helfen wir uns selbst. Ich werde in der nächsten Zukunft noch sehr viele Gespräche mit Dir führen und dich auf diese Weise hindern, mich zu verlassen.“ Etty hat im grausamsten aller Tode in der Gaskammer Gott bei sich gehabt und hat dadurch auch andere Leidensgefährten getröstet.
Es liegt an uns, dass Gott in dieser Welt nicht verloren geht. Wir brauchen ihn als Anlaufpunkt für uns selbst und als ewige Werte-Instanz. Versuchen wir darum, auch gegen den Zeitgeist ein starkes Stück Kirche hier auf der Wewelsburg zu praktizieren.