2023-03-05 2. Fasten-So
Ein Glanzaugenblick – Berg der Verklärung
Mt 17, 1-9
Liebe Schwestern und Brüder,
Rose Ausländer, die jüdische Schriftstellerin, die in den 30-er und 40-er Jahre, in der Bukowina sowohl von dem russischen NKWD wie auch von den Schergen der Nazis verfolgt wurde, scheint mir dieses Evangelium von der Verklärung auf dem Berg sehr genau verstanden zu haben. Diese mutige tapfere Frau schreibt in einem kleinen Gedicht:
„Vergiß Dein Nein
Ich weiß
es sind nur Augenblicke aus Apfelglanz,
die Jahre sind finster.
Aber der Glanzaugenblick
lebt länger als ein Jahr.
Der Glanzaugenblick? Wir alle haben im Leben solche Glanz-augenblicke, von denen wir oft viele Jahre leben, Augenblicke, da sich uns der Himmel öffnete. Vielleicht waren es besondere Tage, der Tag der Erstkommunion, der Hochzeit, eine bestandene Prüfung, ein Urlaub, eine wunderschöne Bergwanderung, die Geburt eines Kindes, oder das Sterben der Großmutter, vielleicht aber auch ganz unscheinbare Momente im Leben.
Ich möchte erzählen von einem Glanzaugenblick, der für einige Menschen schon fast zwei Jahrzehnte hält.
Damals starb in unserer Gemeinde ein 14-jähriger Junge nach langen Kampf mit der Leukämie, Björn. Beim Trauergespräch fragte mich die Mutter: Kann man dem Björn auch einen Frosch mit in den Sarg legen, Kermit aus der Sesamstrasse. Und dann erzählte sie, dass eine Mitschülerin, die Steffi, dem Björn wenige Wochen vor seinem Tod einen Brief geschrieben hatte, in dem es sinngemäß heißt:
„Lieber Björn, ich traue mich nicht, dich zu besuchen, weil du so schwer krank bist. Aber ich schicke dir Kermit, den Frosch, und zwar habe ich kürzlich eine Geschichte von zwei Fröschen gefunden, die in einen Eimer voll Milch gefallen waren. Einer dieser Frösche gab sofort auf und jammerte und ging in der Milch unter. Aber der andere gab nicht auf. Er strampelte und strampelte, bis er am anderen Morgen auf einem kleinen Berg Butter saß, von dem aus er aus dem Eimer herausspringen konnte.
Björn, ich glaube, du bist wie dieser kleine Frosch. Du hast auch gestrampelt und gestrampelt und nie aufgegeben.
Und darum Björn, nimm diesen kleinen Frosch in die Hand und denke, der hat es geschafft; ich kann es auch schaffen. Gib nie auf.
Die Mutter sagte mir, Björn hätte in den letzten Wochen seines Lebens, den Frosch immer wieder in die Hand genommen und gesagt: Mama lies noch mal die Geschichte von den Fröschen.
Und dann fragte ich die Mutter: Wie gehen sie denn damit um, dass Ihr Sohn es ja nicht geschafft hat, am Leben zu bleiben? Sie antwortete: „Aber die Geschichte hat ihm Mut gemacht, sein Schicksal auszuhalten und mir hat die Geschichte auch geholfen, Björn dabei zu begleiten. Und sie hilft mir auch jetzt bei der Beerdigung, an Björn zu denken. Darum möchte ich den Frosch und den Brief von Steffi mit in den Sarg legen.
Mit der Erlaubnis von Steffi und der Mutter durften wir den Brief in der Trauerfeier vorlesen. Da saßen all die Schulfreundinnen und Schulfreunde von Björn, mit Tränen in den Augen.
Aber das Leben ging ja weiter, und damit auch der ganz normale Schul-wahnsinn. Monate später haben wir dann mit der Klasse ein Besinnungswochenende in einer Jugendbildungsstätte gemacht. Da stellte sich heraus, dass die Erfahrung mit Björn sich hinter aller Coolness ganz tief in etlicher dieser Schüler*innen eingegraben hatte. Nichts war vergessen. Wieder flossen Tränen. Und am Ende tauchte dann die Frage auf: Und wo ist Björn jetzt? Vielleicht da, wohin die Geschichte vom Berg der Verklärung für einen kleinen Glanzaugenblick die Vision öffnet und wovon wir nur Bilder haben: im Licht, im endgültiger Liebe, im Oster-Land der Träume, der Freiheit von allen Ängsten, Zwängen und Schmerzen…..
Wir haben für das Wohin des Lebens keine theoretische Erklärung, wir können zu ihr nur in Beziehung treten, über Gespräche, Meditation, Gebete, in Beziehung zu unseren Verstorbenen, in Beziehung auch zu Gott.
Dann fragte ein Schüler: Wie geht das denn Meditation, Gebet? Auch das konnte ich nicht erklären, dazu konnte ich die Jugendlichen nur einladen. Die Innigkeit, die dann entstand, war für mich dann wiederum ein Glanzaugenblick. Am Ende der Suche nach Gott, hat ein großer Theologe mal gesagt, steht keine Erklärung, sondern eine Umarmung.
Der Glanzaugenblick reicht länger als ein Jahr. Das war hier kein großes Bergerlebnis auf einem Dreitausender, eher auf einem kleinen Amphibienberg, einem Butterberg. Aber er reichte als Sprungbrett in einen weiten Raum des Lebens, des Lichtes und der Liebe hinein.