2019-04-18 Gründonnerstag
Joh 13, 1-5
Thema Rituale
Liebe Schwestern und Brüder,
Tut dies so oft ihr es tut zu meinem Gedächtnis. Dieser Satz Jesu, zum ersten Mal gesprochen am Gründonnerstag und seither in jeder Messe ist sein Testament. Das heißt, wir sollen in Verbindung bleiben mit unseren Mitmenschen, aber auch mit Gott. Diese Verbindung kann lebensrettend werden. Ich sprach kürzlich mit einem 18-jährigen Jungen aus Afghanistan. Er erzählte, wie er als 12-jähriger 2013 aus Afghanistan geflohen ist.
Er saß mit seinen Eltern im Flugzeug, das unter schweren Raketenbeschuss die Hauptstadt Kabul verließ. Er, seine Eltern und alle Menschen im Flugzeug fassten sich schweigend an den Händen. Sie fühlten sich in schweigender Verbundenheit mit Gott. Stumm bewegten sie ihre Lippen zu dem einzigen Hilferuf: „Gott bleib bei uns, was auch immer geschieht“. Ich fragte den jungen Mann: „Sie haben überlebt, aber wenn es schief gegangen wäre.“ Er antwortete: es war nicht mehr unsere Entscheidung ob es gut schief ging. Ich wußte in dem Augenblick nur eins: Ob wir leben oder sterben, wir sind allein in Gottes Hand. Dieser Erfahrung sagt der junge Mann, sei lebensprägend für ihn gewesen. Alles kann ich in meinem Leben verlieren, aber niemals den Glauben. (vgl. CiG 19/2013)
Das ist das Testament Jesu, mit Gott in Verbindung zu bleiben. Irgendwann wird diese Verbindung dann zu einer tragenden Kraft.
Damit das geschehen kann, braucht der Mensch Rituale. Sie sind wie Geländer, die dich durch den Tag, durch die Woche und durch das Jahr führen können. Morgens den Tag mit Gott zu beginnen und ihn abends an ihn abzugeben, vermittelt die Sicherheit, nicht allein zu sein.
mir erzählte ein Mutter, die völlig den Kontakt zu ihrer drogensüchtigen Tochter verloren hat, dass ihr nur ein Weg zu ihrer Tochter bleibt, der über Gott. Sie stellt sich jeden Morgen und Abend vor die Tür ihres Balkons, blickt in den Himmel, die Wolken und die Sterne, öffnet die Hände und vertraut die Tochter Gott an : „Gott, ich weiß nicht, was ich für sie tun kann. All mein Reden stößt nur auf taube Ohren. Nimm Du dich Ihrer an.“ So entsteht eine spirituelle Brücke, ein Weg über Gott zu dem Menschen, den sie trotz allem liebt. Anderes kann sie in dieser Situation nicht tun. Aber diese Brücke hilft der Frau.
Ein Ritual lebt von der Regelmäßigkeit. Es darf nicht dem Zufall überlassen werden, sondern braucht die immer gleiche Zeit und einen festen Ort. Ein solches Ritual ist wie ein Geländer, an dem der Mensch sich mehrmals am Tag oder in der Woche festhalten kann.
Im Kleinen Prinzen von Exupery heißt es: „Es muß feste Bräuche geben.“ Der Fuchs sagt zum kleinen Prinzen: „Wenn ich zum Beispiel weiß, dass Du mich am Sonntag besuchen kommst, dann kann ich schon am Freitag beginnen, mich darauf zu freuen.“
Auch die Woche braucht also Rituale. So kann jeder Sonntag zu einem Besuchstag werden, nicht nur unter Menschen, sondern auch zwischen Gott und Mensch, zum Beispiel in der Mitfeier eines Gottesdienstes. Solche Besuche nehmen der Seele die Leere und dem Herzen die Unruhe.
Das ist sein Testament: wenn ihr euch zum Mahl, zum Abendmahl, zur Eucharistie versammelt, bin ich bei euch und ich bleibe bei euch, auch in euren Grenzerfahrungen zwischen Tod und Auferstehung.
Gebet
Gott, ich will nicht aufhören
deine Stimme in mir zu hören,
die in mir klingt, die zu mir spricht:
„Ich bin bei Dir, wo auch immer Du bist.“
Lass mich zur Ruhe kommen, Gott.
Bleib mit mir in Verbindung.