Predigt vom 1.11.2018 – Allerheiligen

2018-11-01_Allerheiligen – Mt 5,1-12

Arme Seelen?

Liebe Schwestern und Brüder,

in Siddinghausen haben wir in diesem letzten Jahr an vielen Gräbern gestanden und Abschied genommen von lieben und wertvollen Menschen. Und jedes Beerdigungsritual haben wir abgeschlossen mit der Bitte: „Herr gib unseren Verstorbenen die ewige Ruhe. Und das ewige Licht leuchte ihnen.“ Brauchen unsere Verstorben diese Bitte? Sind sie ruhelos, unruhig? In einer Gemeinde habe ich kürzlich erlebt, dass das Rosenkranzgebt wie zu meiner Kinderzeit abgeschlossen wurde mit der Bitte: Und erbarme dich der Armen Seelen im Fegefeuer. Sind unsere Verstorbenen arme Seelen, die nicht zur Ruhe kommen? So, wie man sich das im Mittelalter und noch bis in unsere Zeit vorgestellt hat, dass sich die Verstorbenen auch in vielerlei Gestalt den Lebenden zeigen können. Sie erscheinen wie Geister, schleppen sich durch die Dunkelheit unserer Nächte, begegnen uns im Traum, sind irrende Lichter, manchmal mit Gestöhn  oder Gepolter, Wesen, die unser Gebet bedürfen, damit sie endlich Ruhe finden?

 

Die Vorstellung, dass zwischen dem Diesseits und dem Jenseits eine unsichtbare Zwischenwelt existiert, ist in allen Kulturen zu Hause. Und darum gab es unglaublich viele Rituale, die dafür sorgen sollten, dass die Verstorbenen den Weg aus dieser Zwischenwelt in die ewige glückliche Welt Gottes finden mögen. Meine erste Erinnerung an ein solches Totenritual ist, als ich mit etwa 4 oder 5 Jahren erlebte, wie unser Nachbar gestorben war und auf der Deele aufgebahrt wurde. Jeden Abend der  drei Tage vor der Beerdigung versammelten wir uns um den Sarg, knieten nieder und beteten den Rosenkranz. Ich kann mich noch erinnern, dass ich dann anschließend oft Angst hatte, im Dunkeln auf die Deele zu gehen, weil ich dachte, ich würde dem Verstorbenen dort als Geist begegnen.

 

Wie gehen wir heute, in Zeiten absoluter Aufklärung und Digitalisierug mit solchen Vorstellungen um? Wenn wir in die Bibel schauen, dann geht es nach dem Tod nicht mehr um Unruhe, auch nicht um Angst und Bedrohung, sondern allein um Erlösung und Befreiung aus oft unsäglichem Leid. Unruhe, Angst ergreift den Menschen vor dem Tod oft im Prozess des Sterbens. Da kommt er nicht zur Ruhe und Angehörige sitzen oft ohnmächtig daneben und bitten manchmal: Wenn Gott ihn doch endlich erlösen möge. Unruhe ergreift den Sterbenden, weil er vielleicht noch mit anderen Menschen eine Rechnung offen hat, noch auf Vergebung wartet. Da kann ein Gespräch beruhigen oder ein ins Ohr geflüstertes Gebet. Mit dem Augenblick des Todes betritt ein Mensch nach unserem Glauben den Raum des Friedens, der Versöhnung, nimmt teil am Zustand überbordender Liebe, in der wir uns eines Tages im Glück wiedersehen. Die Unruhe, die Fragen bleiben zumeist bei den Angehörigen zurück. Und darum müssten wir eigentlich beten: Herr gib uns, den Zurückbleibenden Ruhe, Ruhe von offenen Fragen, Konflikten und umherirrenden quälenden Erinnerungen.

 

Liebe Schwestern und Brüder, das Fegefeuer machen sterbende Menschen oft schon vor dem Tod mit durch Schmerzen und seelische Abgründe. Im Tod sind sie frei. Da sagte z.B. ein Verbrecher, der mit Jesus gekreuzigt wurde, wahrscheinlich doch ein Mörder: Meister denk an mich, wenn Du ins Paradies kommst. Und Jesus sagt nicht: Erst einmal mußt Du ins Fegefeuer, dann wahrscheinlich in die Hölle, weil Du so viele Verbrechen begangen hast. Nein er sagt, deine Reue, deine Sehnsucht nach dem Zustand ewiger Liebe reicht mir. Noch heute, bist Du bei mir im Paradies. Gott begegnen können wir im Diesseits, auf dieser Erde  und im Jenseits durch Liebe, Farben, Schönheit und durch Menschen, aber nicht in irgendwelchen okkulten Zwischenräumen. Gott begegnen wir, wenn wir die Grenze überschreiten und im Zustand ewiger Liebe Jesus uns empfängt mit all den Lieben, die uns vorausgingen. Darum habe ich folgendes Gedicht geschrieben:

 

 

„Wenn die Vögel zwitschern

Und sich Nester bauen,

der Regen sanft vom Himmel fällt,

die Sonne funkelnd scheint,

dann kann ich glauben:

Du bist da, Gott.

 

Wenn die Melodie des Lebens ertönt,

leise hell und klar,

ich zu spüren beginne,

ganz und gar bei mir zu sein,

dann kann ich glauben,

Du bist da, Gott.

 

Wenn ich neues Leben schaue,

unbefangen, fröhlich, frei,

wenn ich Menschen sterben sehe

mit sich und ihrem Leben eins,

dann kann ich glauben

Du bist da, Gott.

 

Wenn ich merke es gibt

Den Bruder, der mich mag,

die Schwester, die mir verzeiht,

den Freund der zu mir hält,

die Freundin, die mir

die Wahrheit sagt,

dann kann ich glauben

Du bist da, Gott.

 

Wenn ich verzweifelt bin

Und keiner Liebe folgen kann,

denke, es sei so sinnlos

dieses Leben, zum Wegwerfen

und doch das Wörtchen Trotzdem

höre und ein Fünkchen Hoffnung

unter toter Asche spüre,

dann kann ich glauben,

Du bist da, Gott.

 

Und wenn am Horizont des Lebens

Der Widerruf der Zeit erscheint

Und ich mit meinem Ende rechnen muss,

dann möchte ich tapfer durch den Tunnell gehen zu jenem anderen Ufer,

an dem Du sprichst:

Ich bin da, bin für dich da.

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