Predigt vom 29.11.2020 1.Advent – Wachet auf

2020-11-29 – 1. Advent

Wachet auf

Liebe Schwestern und Brüder,

ein Aufschrei ging im Juni 2020 durch den Kreis Gütersloh, als bekannt wurde, dass in Deutschlands größten Schlachtbetrieb, der Firma Tönnies in Rheda-Wiedenbrück, fast 2000 Werksvertragsarbeiter*nnen aus Osteuropa mit dem Virus Covid 19 infiziert worden waren. Ins grelle Licht der Medien kamen unwürdige Wohn- und Arbeitsbedingungen in diesem Konzern, der allein in Deutschland täglich mehr als 16 Millionen Schweine schlachtet unter höchster Beanspruchung seiner Arbeiter-Innen.

Manch einer fragte sich: „Haben denn die Menschen in der Stadt und im Umfeld des Betriebes nichts von diesen Missständen bemerkt?“

Doch haben sie. Mutige Frauen und Männer hatten schon vor Jahren die „Initiative Werks-Fair-Trags-ArbeiterInnen“ gegründet und sich durch ständige konkrete Hilfe um die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeitenden bemüht, einfach um Fairness. Durch immer neue Verhandlungen mit der Betriebsleitung und durch Rechtsverfahren treten sie für die Rechte der MitbürgerInnen bis heute ein. Sie weisen auch in der Öffentlichkeit immer wieder darauf hin, dass manche Arbeitenden 50 Euro für eine Matraze pro Woche in einem schäbigen Zimmer zahlen und oft bis zu 12 Stunden am Tag für niedrigste Löhne härteste Arbeiten verrichten.

In Rheda-Wiedenbrück entstand schon in den Jahren, als ich dort Pfarrer war die Diskussion, dass uns das als Christen nicht egal sein kann. Hatte nicht schon Adolf Kolping, der katholische Priester und mutige Promotor für die Arbeiterechte im 19. Jahrhundert gefordert, der Glaube finde nicht nur in den Betkammern statt, sondern auch in den Fabriken und wer Mut zeige mache anderen Mut. Für Kolping war der Mensch nicht eine billige Arbeitskraft, sondern ein Ebenbild Gottes. Der Mensch ist für mehr geschaffen als für Geld und Kapital. Für Würde und Wertschätzung ist er geschaffen. Das war sein Grundsatz.

So ermutigt rief man z.B. am 1. Advent 2014 in Rheda-Wiedenbrück zu einer Sternenprozession von allen christlichen Kirchen der Stadt zur Fleischfabrik Tönnies an der A 2 auf. Hunderte folgten dem Aufruf.

Die Botschaft des Advent, die mit dem Ruf „Wacht auf“ beginnt, wurde so konkret. Aufzuwachen und die ungerechten Verhältnisse in der unmittelbaren Nähe wahrzunehmen, achtsam zu sein und nicht länger wegzuschauen, das waren die Ziele. Die Teilnehmenden dieser Prozession, die zur Demo wurde, hatten in den Händen Kerzen und Glocken und forderten mit Liedern, Gebeten und Protestnoten Gerechtigkeit, Würde und humanitäre Arbeits- und Wohnbedingungen für ihre Mitmenschen.

Mich erinnerte das an die Worte eines Stasigenerals der bei den Montagsdemonstrationen 1989 in Leipzig gesagt hatte: „Wir waren auf alles vorbereitet, nur nicht auf Kerzen und Gebete.“

Die Zukunft gehört Gott und den Mutigen!“ Heute sehen wir mutige Menschen in Belarus für ihre Recht auf Freiheit auf die Strasse und oft genug auch ins Gefängnis gehen.

Ein junger Mann, der in China aus christlichen Motiven der Gewaltlosigkeit im Untergrund das übermächtige regime in China bekämpft, wurde gefragt, ob er denn angesichts dieser Übermacht der regierung nicht in Resignation und Verzweiflung verfalle? Er hat geantwortet: „Resignation und Pessimismus kommen aus der Angst. Es gab für mich damals einen Zeitpunkt, da hatte ich meine Angst überwunden, komme, was da wolle.“ Für ihn waren es auch die tiefen persönlichen Zwiegespräche mit Gott, die ihm zur Kraftquelle wurden.

Mut ist Angst, die gebetet hat.“ So lautet ein Wort von Corrie ten Boom, die während der Nazi-Zeit ein Netzwerk von mutigen Menschen in Holland aufgebaut hat. Sie haben Juden versteckt und oft gerettet. Corrie ten Boom wurde 1944 von einem Denunzianten verraten und kam in das Konzentrationslager Ravensbrück. An den Wachen vorbei hatte sie eine Bibel geschmuggelt. Des Abends in der Baracke machte sie den häufig apathisch und leblos da liegenden Frauen, die sich schon aufgegeben hatten, mit Bibelstunden Hoffnung. Sie versuchte zu vermitteln, dass Gott sie trotz allem nicht verlassen, und Jesus dasselbe verzweifelte Schicksal erlitten hatte. Manche dieser Frauen bekamen durch diese Ermutigungen wieder Lebensmut und überlebten zum Teil das KZ wie Corrie selbst auch.

Wachet auf! Ruft uns der Advent zu. Habt Mut! Überwindet die Angst!

Manchmal bin ich so mutlos, habe tausend kleine Ängste vor dem Zahnarzt, den nächsten Streit, vor der Krankheit und Covid 19. Dann lass deinen Angst beten, denn du sprichst zu einem, der hat die Angst überwunden, damals am Ölberg und die davon erlöst.

Darum:

Lass deine großen Sprüche,

sag das, was wichtig ist!

Dein kleines Wort hat Wert,

wenn Du nur ehrlich bist.

Was ist klein und was ist groß?

Was leuchtet, und was blendet bloß.

Auch das größte Feuerwerk

Kann doch nur verglühn.

Doch dein kleines Licht

Kann wie eine mutige Blume

Immer und ewig blühn.


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