2019-01-20_2._So._i._J._2019
Die Stunde Jesu
Schrifttext Joh 2,1-11
Liebe Schwestern und Brüder,
der langjährige Erzbischof von Mailand, Kardinal Martini, erzählte, dass in Italien die Brautleute oft sehr arm sind und sich eine große Hochzeitsfeier in einem Restaurant nicht leisten können. Sie feiern deswegen gerne im Freien, oft auf dem Kirchplatz. Einmal habe es in Strömen geregnet, sagte der Kardinal, und das Hochzeitspaar habe den Pfarrer gebeten, in der Kirche nur einen kleinen Empfang gestalten zu dürfen mit ein bischen Kuchen und einem Schlückchen Wein. Aus dem Schlückchen Wein wurden bald mehrere Gläser. Die Leute sangen fröhliche Lieder, begannen zu tanzen. Die Stimmung stieg, es wurde lauter und lebhafter. Der Pfarrer wurde ganz unruhig ob dieses Trubels und erregte sich: „Das geht doch nicht, so ein Theater in meiner Kirche.“ Der Küster, der in der Nähe war, sagte: „Was regen sie sich denn so auf? Schließlich war doch Jesus auch mal auf der Hochzeit zu Kana und hat bis zum Ende mitgefeiert.“ „Ja“, sagte der Pfarrer“, das stimmt, „aber da war kein Tabernakel mit dem Allerheiligsten darin.“
Ja, es ist richtig, auf der Hochzeit zu Kana war Jesus nicht im Tabernakel, da war er ganz persönlich und ganz menschlich. Kardinal Martini will sagen, dass der eigentliche Tabernakel, die wichtigste Wohnung Gottes der Mensch ist. Und dass wir aufpassen müssen, dass wir nicht Rituale, Dogmen und Gebote höher ansetzen als den Menschen selbst. „Gott wohnt in jedem Menschen“, heißt es im 17. Kapitel nach Lukas. Jesus feiert mit den Menschen wie heute bei der Hochzeit zu Kana, er lacht mit den Fröhlichen, er weint aber auch mit den Weinenden, und stirbt mit den Sterbenden.
Vor Jahren habe ich das Sterben eines Kindes begleitet, das mit 2 Jahren an Leukämie erkrankte und nach dreijährigem schlimmen Leidensprozess schließlich mit 5 Jahren in den Armen seiner Eltern starb. Die Eltern hatten für die Todesanzeige den Satz ausgesucht: „Als Gott dich schuf, legte er liebevoll ein Stück von sich in dich hinein.“
Seitdem verstehe ich die Symbolik bei der Gabenbereitung. Immer wenn ich da einen Tropfen Wasser in den Wein gieße, wird das Wasser zu Wein, wird das Menschliche zum Göttlichen. Denn ich kann Wasser nicht wieder vom Wein trennen wie bei der Hochzeit zu Kana. Genauso hat Gott sich unauflöslich mit den Menschen verbunden. „Als Gott dich schuf…“ Im Trauergespräch sagten die Eltern: “In dem langen Leidensprozess mit unserem Kind ist uns klar geworden:
Irgendwann wird die physische Existenz unseres Kindes sterben, aber es gibt etwas in diesem Kind, das kann der Tod nicht vernichten, das wird für immer leben und bleiben. Das ist die Verbindung mit Gott.“
Der Mensch ein Tabernakel , eine Wohnung Gottes. Nicht irgendein Mensch, nein, Sie, Ich, jeder Mensch in dieser Kirche heute Abend ein Tabernakel Gottes, ein Christusträger. Denn was anders bedeutet es, Christ zu sein, als Christus in sich zu tragen.
Aber warum spüren wir das so wenig? Warum strahlt das nicht aus? Ein Rätselwort im heutigen Evangelium gibt darauf vielleicht die Antwort. Maria sagt: Herr, sie haben keinen Wein mehr. Und er gibt schroff zur Antwort: Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Könnte das nicht heißen, die Stunde, da die Menschen merken, dass sie mit Gott eins sind wie das Wasser mit dem Wein, die ist noch nicht da. Wie sehr wünschten wir uns, dass die Stunde Gottes endlich komme in dieser Welt, und dass Gott den Trumps, den Putins, den Erdogans, all den gierigen Menschen, die rücksichtslos die Erde ausbeuten und sich hemmungslos auf Kosten anderer bereichern, mal so richtig den Kopf wäscht. Dass die Stunde Gottes kommt und endlich dieses Leid in den Krankenhäusern, den Schützengräben und den Bombennächten abschafft. Aber seine Stunde kommt nicht auf Knopfdruck. Bei Jesus kam sie erst im Tod, am Kreuz und in der Auferstehung. So werden auch wir erst am Ende feststellen, dass all die Jahre unseres Lebens Christus in uns war, dass er mit uns unterwegs war. Und dann steht da vielleicht die Erkenntnis: Wieviel leichter erträglich wäre möglichweise so manche Stunde unseres Lebens gewesen, wenn wir uns dessen bewusst gewesen wären, dass Christus sie mit uns trägt.
Du Gott in mir
Du Gott in meinen Gedanken
Du Gott in meinen Gefühlen
Du Gott in der Tiefe meines Herzens
Lass deine Stunde kommen
Zeig Dich
Schein auf in meinem Leben,
jetzt, heute, am 19. Jan. 2019.