2019-01-01_Neujahr_2019 – Schrifttext: Num 6,22-27
Liebe Schwestern und Brüder,
wenn der Winter sich schon mit Schnee sehr zurückhält, will ich Ihnen wenigstens eine Geschichte von einer Schneeflocke erzählen.
Sag mir, was wiegt eine Schneeflocke?“ fragte die Tannenmeise die Wildtaube an einem schönen Wintertag. „Nicht mehr als nichts!“ gab die Taube zur Antwort. „Dann muss ich Dir eine wunderbare Geschichte erzählen“, sagte die Meise. „Ich saß auf dem Ast einer Fichte, dicht am Stamm, als es anfing zu schneien. Nicht etwa heftig im Sturmgebraus, nein, lautlos und ohne Schwere, wie im Traum. Da ich nichts Besseres zu tun hatte, zählte ich die Schneeflocken, die auf die Zweige und Nadeln meines Astes fielen und darauf hängenblieben. Genau 3.741.952 waren es. Als die 3.741.953. Flocke niederfiel – nichts mehr als ein Nichts wie du sagst-, brach der Ast.“ Damit flog sie davon. Die Taube, seit Noahs Zeiten eine Spezialistin in dieser Frage, sagte sich nach kurzem Nachdenken: „Vielleicht fehlt ja nur eines Menschen Liebe zum Frieden in der Welt.“
Ich bekam diese Geschichte zugesandt mit der Bitte um eine Unterschrift unter einer Petition für die Menschen in Tibet gegen die Menschenrechtsverletzungen der chinesischen Regierung mit dem Vermerk: Vielleicht ist es gerade deine Unterschrift, die zählt.
Unter 7,6 Milliarden Menschen ist es vielleicht deine Liebe, die zum Frieden in der Welt beisteuern kann.
Jede Schneeflocke zählt. Unter Billionen von Schneeflocken die auf die Erde fallen, ist jede einmalig. Dies ist die Struktur einer Flocke. Jede Schneeflocke hat eine andere Struktur. Beim Menschen ist es ähnlich. Jeder ist anders, jeder ist einmalig. Und jeder ist Teil eines großen Ganzen, für das er mitverantwortlich ist. Ich bin nicht nur Bürger von Büren, vom Kreis Paderborn, Deutschland, Europa, nicht nur Erdenbürger, ich bin Teil einer universalen unendlichen Welt. Wie die Schneeflocke ein kleiner Teil einer riesigen Atmosphäre ist, so bin ich mit allen Existierenden verbunden und das genau bringt mich in Verantwortung für alles Leben.
Weihnachten vor 50 Jahren, am 24. Dezember 1968, umkreiste zum ersten Mal ein Raumschiff den Mond, Apollo 8. Beeindruckt von der Weite des Alls lasen die Astronuten aus dem Mondorbit die Schöpfungsgeschichte: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde….und Gott sah, dass alles gut war.“ Eine ganze Welt war religiös bewegt. Nachdem die Astronauten aber gelandet waren, führten Atheisten Prozesse. In der Folge durften Astronauten nicht mehr im Weltall beten.
Als dann Apollo 11 auf dem Mond landete, da hat der zweite Mann, der der den Mond betrat, Edwin Aldrin, heimlich eine Brothostie und einen Kelch mitgenommen, und hat heimlich für sich dort auf dem Mond Kommunion, Abendmahl gefeiert. Sein Bibeltext dazu waren die Worte Jesu: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben; wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht.“ Da haben wir es wieder. Alles ist mit allem verbunden, und alles ist letztlich mit Gott, dem absoluten Ursprung und Zielpunkt des Lebens verbunden. Jede Rebe zählt.
Jede Flocke zählt, jeder Mensch zählt, und jeder Planet. Unsere Erde ist im Universum oder in den Multiversen auch nur ein Schnipsel, ein Staubkorn, nicht der Rede wert. Aber es ist ein unglaublich schönes Detailes einer großen Geschichte, aber auch ein sehr zerbrechlicher. Das war für mich die wichtigste Botschaft des letzten Jahres, die von Alexander Gerst. Unter dem Titel „Botschaft an meine noch nicht geborenen Enkel“ hat er am 25.11. 2018 gepostet: „Wenn ich aus dem Weltall so auf den Planeten runter schaue, dann denke ich, dass ich mich bei euch leider entschuldigen muss, meine noch nicht geborenen Enkel. Im Moment sieht es so aus, als ob wir, meine Generation, euch den Planeten nicht gerade im besten Zustand hinterlassen werden.“
Jeder einzelne Mensch ist aufgefordert, seine Verantwortung zu entdecken, z.B. seinen Lebensstil 2019 zu überdenken. Die Botschaft hat auch uns erreicht. Nach dem Hitzesommer 2018 war ich am Möhnesee. Der See ist fast trocken. Von 140 Mio Kubikmeter Wasser mußten über 100 Mio abgelassen werden, um die Schifffahrt auf den großen Flüssen einigermaßen aufrecht zu erhalten. Jeder sinnlos verschwendete Tropfen Wasser zählt, jedes weggeworfene Butterbrot, jede überheizte Wohnung. Denn wo soll denn Veränderung anfangen, wenn nicht bei mir persönlich. Alexander Gerst war erschrocken, wie er sie von oben gesehen hat, diese kaputten Gebiete der Erde, die im Moment die Ärmsten der Armen in Afrika und auf anderen Kontinenten ausbaden und später die noch nicht geborenen oder bereits geborenen Enkel. Da sagen auch bei uns Politiker. Wir können doch allein nichts machen. Wir sind doch nur mit 2,5 Prozent am Kohlendioxidausstoß beteiligt. Darauf antwortete kürzlich der profilierteste Klimaexperte Deutschlands, Hans Schellnhuber: Vielleicht sind es aber genau diese 2,5 %, die die positive Wende bringen, sozusagen die 3.741.953. Schneeflocke.
In der Lesung hörten wir eben den Neujahrssegen. Das ist genau der Sinn des Segens, die Botschaft: Du bist Teil eines großen Ganzen, bist darin für alle Zeit und Ewigkeit aufgehoben und geborgen. Segen ist Geschenk und daraus resultierende Aufgabe zugleich:
Du sollst ein Segen sein,
Gottes heller Widerschein.
Zeig der Welt, was Liebe ist,
weil du gesegnet bist.
Du sollst ein Segen sein,
Schwachen neue Kraft verleihn.
Zeig der Welt, was Hoffnung ist,
weil du gesegnet bist.
Du sollst ein Segen sein,
Menschen von der Angst befrein.
Zeig der Welt, was Glaube ist,
weil du gesegnet bist.
Du sollst ein Segen sein,
Wunden heilen, Schuld verzeihn.
Zeig der Welt, was Gnade ist,
weil du gesegnet bist.
Du sollst ein Segen sein,
wo die Menschen sich entzwein.
Zeig der Welt, was Frieden ist,
weil du gesegnet bist.