2017-12-24_Heilig_Abend
Vom Neben-Menschen zum Mit-Menschen
Liebe Schwestern und Brüder,
„wir sehen im anderen Menschen nicht Mit-Menschen, sondern Neben-Menschen. Das ist der Fehler.“ Sagt ein Wort von Albert Schweizer. Sie haben in diesem Weihnachtsgottesdienst Menschen neben sich. Wie werden die Nebenmenschen zu Mitmenschen? Schauen Sie doch einfach mal nach rechts, nach links, nach vorne und hinten und reichen sie sich die Hand und wünschen sie sich Frieden und Segen.—– Merken Sie, wie durch Zu-Wendung zum anderen, durch Hin-Wendung aus Neben-Menschen plötzlich Mit-Menschen werden können.
Weihnachten ist das Fest der Humanität, der Menschlichkeit, der Mit- menschlichkeit. Allein aus diesem Grunde wurde Gott Mensch,
damit aus Neben-Menschen, also aus Menschen, die nebeneinander aneinander vorbeileben, Mit-menschen werden. Albert Schweizer hat das gelebt. Er war ein Universalgenie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, ein hoch anerkannter Theologe und Philosoph, ein begnadeter Musiker, Naturforscher. Aber Albert Schweizer wollte das Christsein leben und stellte fest, dass der große Gott Mensch wurde auf dem Misthaufen der Welt. Da erkannte Albert Schweizer: Ich muss runterkommen von meinen wissenschaftlichen Höhenflügen und zu den ärmsten der Armen gehen. Da finde ich Gott am ehesten. Er gab das ganze bisherige Leben auf, wurde Urwaldarzt im zentralafrikanischen Busch.
Damit aus Nebenmenschen Mitmenschen werden, muss der Mensch Gott in sich einlassen. Nach Albert Schweizer klopft Gott jeden Tag bei mir an. Dazu habe ich in der Adventszeit mal ein Gedicht verfasst.
„Hoher Besuch“ heißt es
„Gott, gestern hast Du bei mir angeklopft, Du wolltest mich besuchen. Aber meine Tür war verschlossen und ich war nicht zu Hause. Versteh doch, lieber Gott, so viele Termine, so wichtige Geschäfte, so viel zu tun. Und jetzt auch noch diese vielen Weihnachtsfeiern, im Betrieb, im Verein, im Club. Und diese Einkauferei, diese Hetze, der reinste Salto Mortale vor den großen Feiertagen. Du hast bei mir angeklopft, ich hab es nicht gehört. Sieh doch ein, lieber Gott, da ist keine Zeit für dich in dieser Zeit, keine Zeit zum Träumen, keine Zeit für die Sehnsucht, keine Zeit zum Beten, zum Trösten, zu müde, zu schlapp, zu abgespannt.
Ja, da ist dieser Rufer in der Wüste, Johannes, der Patron von Siddinghausen: Bereitet dem Herrn den Weg, hebt hoch die Tore eurer Verdrießlichkeit, Eurer Angst und Traurigkeit, Eurer Schuld und Eures Versagens. Es kommt einer, der will dich besuchen, um dir Ruhe ins Herz zu bringen, dich zu heilen und zu versöhnen mit den Komplexen und Unzulänglichkeiten deines Lebens. Entriegele die Tür deiner Gleichgültigkeit und Ignoranz, und Gott erfüllt Dein Herz mit Freude und Zuversicht, und Weihnachten ereignet sich mitten in deinem Herzen, weil Frieden sich legt ins Zentrum deines Daseins.“
Liebe Schwestern und Brüder, nicht das ist Weihnachten, dieser Salto Mortale des Konsums, sondern dass Gott dein Herz ergreift, dass Gott bei Dir wohnen will und Dir die Geschenke von Sinn, Ausgeglichenheit und Gelassenheit mitbringt.
Ist es eigentlich so schwierig, in den Ablauf eines jeden Tages 15 Minuten Zeit einzubauen für ein Rendezvous mit Gott, in einem stillen Gebet, in einer Ruhemeditation, in einem Gottesdienst, im Beten mit den Füßen bei einem Spaziergang? Alles im Leben lebt von Regelmäßigkeit, der täglichen Praxis. Beim Joggen, beim Fitnesstraining, bei Diätkuren oder beim Zähneputzen wissen wir das, warum nicht auch beim Kontakt mit Gott? Das tägliche Rendezvous mit Gott kann dein Leben beruhigen, Dir mehr Zufriedenheit schenken, Frieden mit Dir selbst. Dann ist Weihnachten 365 Tage im Jahr.
Mit Albert Schweizer bin ich der Meinung: Wer spürt, dass Gott in ihm wohnt, der wird in niemanden mehr einen Nebenmenschen sehen, sondern nur noch den Mitmenschen. Der Fremde in deinem Dorf, kein Nebenmensch, ein Mitmensch, der Mann mit den Alkoholproblemen in deiner Straße, kein Nebenmensch, ein Mitmensch, die Familie mit dem Hartz IV – Einkommen, keine Nebenmenschen, ein Mitmenschen, der Werksarbeiter aus Rumänien bei der Fleischfabrik, der sich nachts zur Ärztin schleicht mit seiner Krankheit, weil er Angst hat, seinen Job zu verlieren, wenn er sagt, dass er krank ist, kein Nebenmensch, ein Mitmensch, die heruntergekommenen Kids aus dem Dortmunder Norden, die Schmuddelkinder der Arche in Berlin, die Flüchtlinge, die dir jeden Tag auf den Straßen in Büren oder Siddinghausen begegnen, keine Nebenmenschen Mitmenschen.
Neben-Menschen leben
aneinander vorbei
und wenden sich gegeneinander,
sehen im anderen den Gegner
den Konkurrenten
um die besten Noten
die schönsten Wohnungen
das höchste Ansehen
das meiste Geld.
Mit-menschen
leben miteinander,
sind gut zueinander,
sorgen füreinander,
gönnen einander
den Erfolg, die Sonne,
die Wärme, das Licht
und haben Freude aneinander.
Mitmenschen sind
Weihnachtsmenschen, weil
Nur durch sie Humanität und
Frieden auf dieser Erde wachsen,
weil nur durch sie Gott
in diese Welt kommt,
weil sie dem Hohen Besuch
längst die Tür geöffnet haben.
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