2017-12-17_3.Advent
Joh 1,6-8.19-28
Tore öffnen
Liebe Schwestern und Brüder,
warum heißt es im bekanntesten Adventslied eigentlich: „Macht hoch die
Tür, die Tor macht weit..“? Türen macht man doch nicht hoch, die macht
man auf. Die Tore hochzuheben ist ein Bild aus den alten Liedern, den
Psalmen des Alten Testaments. Da waren die Menschen in Palästina
als Nomaden unterwegs und lebten in Zelten. Die Zelttüren rollte man
nach oben. So heißt es in Psalm 24 „Hebt euch nach oben ihr Tore, hebt
euch ihr uralten Pforten.“
Aber egal, ob man nun eine Tür hebt oder auf macht, im Advent geht es
darum, Gott die Tür seines Herzens zu öffnen.
„Gott, gestern hast Du bei mir angeklopft, Du wolltest mich besuchen.
Aber meine Tür war verschlossen und ich war nicht zu Hause. Versteh
doch, lieber Gott, so viele Termine, so wichtige Geschäfte, so viel zu tun.
Und jetzt auch noch diese vielen Feiern im Advent, im Betrieb, im Verein,
im Club. Und diese Einkauferei, diese Hetze, der reinste Salto Mortale
vor den großen Feiertagen. Du hast bei mir angeklopft, ich hab es nicht
gehört. Sieh doch ein, lieber Gott, da ist keine Zeit für dich in dieser Zeit,
keine Zeit zum Träumen, keine Zeit für die Sehnsucht, keine Zeit zum
Beten, zum Trösten, zu müde, zu schlapp, zu abgespannt.
Ja, da ist dieser Rufer in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg, hebt
hoch die Tore eurer Verdrießlichkeit, Eurer Angst und Traurigkeit, Eurer
Schuld und Eures Versagens. Es kommt einer, der will dich besuchen,
um dir Ruhe ins Herz zu bringen, dich zu heilen und zu versöhnen mit
den Komplexen und Unzulänglichkeiten deines Lebens. Entriegel die Tür
deiner Gleichgültigkeit und Ignoranz, und Gott erfüllt Dein Herz mit
Freude und Zuversicht.“
Liebe Schwestern und Brüder, nicht das ist Weihnachten, dieser Salto
Mortale des Konsums, sondern dass Gott dein Herz ergreift, dass Gott
bei Dir wohnen will und Dir die Geschenke von Sinn, Ausgeglichenheit
und Gelassenheit mitbringt. Ist das eigentlich so schwierig, jeden Tag
nicht nur ein Kläppchen am Adventskalender zu öffnen, sondern sich
auch 15 Minuten Zeit zu nehmen für den Kontakt mit Gott, in einem
stillen Gebet, in einer Ruhemeditation oder im Gottesdienst? Alles im
Leben lebt von Regelmäßigkeit, der täglichen Praxis. Beim Joggen, beim
Fitnesstraining, bei Diätkuren oder beim Zähneputzen wissen wir das,
warum nicht auch beim Kontakt mit Gott? Der Mensch bringt jeden Tag
seine Haare in Ordnung, warum nicht seine Seele? Sagt ein Sprichwort.
Der tägliche Kontakt mit Gott kann dein Leben beruhigen, kann Dir mehr
Zufriedenheit schenken, Frieden mit Dir selbst.
Aber brauchen wir Gott überhaupt, damit unser Leben gelingt. Man sieht
es doch überall, für die meisten Menschen geht es auch ohne. Sie
kommen allenfalls noch zu Weihnachten in die Krippenfeiern, um die
Wartezeit bis zur Bescherung zu überbrücken. Geht es auch ohne?
Was ein Leben mit Gott bedeuten kann, erlebe ich nur an gelebten
Beispielen, wie z.B. an einer fürchterlichen Geschichte vor sieben
Jahren. Im September 2010 wurde in Gefrath der 10-jährige Mirko
Schlitter von einem Triebtäter entführt, vergewaltigt und getötet. 145
Tage dauerte die Suche, bis man die Leiche fand. Für die Eltern und
Geschwister war das ein Leben auf der Achterbahn, zwischen täglicher
Verzweiflung und Hoffnung. Das alles auszuhalten, diese Schmerzen,
diese Verzweiflung, die Ungewissheit und die eigenen Schuldvorwürfe:
Hätten wir nicht besser aufpassen müssen auf unseren Jungen? Das ist
schwer!!! Getragen hat sie der Glaube und das tägliche Gebet mit
Freunden. Die Polizisten der SOKO haben sich zuerst darüber lustig
gemacht und die Eltern von Mirko als Glaubensjunkies bezeichnet. Aber
als sie bei den Eltern niemals Vorwürfe, sondern immer nur Dankbarkeit
für ihre Arbeit erfuhren, da kamen diese Polizisten ins Denken. Dieser
Fall hat uns verändert, sagte später der Leiter der SOKO. Als er den
Eltern die Todesnachricht überbringen musste und die Mutter ihn fragte:
Wo ist Mirko? Da sagte er nicht, er ist tot, sondern „Er ist bei Gott.“
Man hat in den letzten Jahren die Familie Schlitter häufig gefragt, ob sie
denn Gott keine Vorwürfe machten. Sie waren der Auffassung, dass Gott
nicht eingreifen kann, wenn Menschen so böse werden, oder
psychopathisch krank sind wie dieser Triebtäter. Darum war ihr Gebet
immer nur: Gott bleib bei uns und bei Mirko, dass wir das aushalten
können, und wenn es das Allerschlimmste ist. Vielleicht haben es einige
von Ihnen gesehen. Diese Geschichte ist originalgetreu am Freitag als
Film auf Arte gelaufen. Selbst vom Täter haben die Eltern gesagt: Wir
haben ihm vergeben, damit wir mit uns selbst im reinen sind. Denn wenn
unser Leben erfüllt ist von Hass und Rachegedanken, dann ist da kein
Platz für Freude mehr. Und wir wollen doch, dass unsere beiden
anderen Kinder mit einer positiven Einstellung und mit Freude ins Leben
gehen.
Das ist Weihnachten, dass dein Herz nicht von Verdruss, Lieblosigkeit,
Hass und Rache erfüllt ist, sondern von Gott, von der Liebe und der
Zufriedenheit. Gott klopft bei Dir an! Mach ihm auf, nicht nur am 25.
Dezember, sondern 365 Tage im Jahr. Amen.