Predigt vom 6.2.2021 – Gleichstellung der Frauen

2021-02-06_5._So._i._J. – Patronat der Frauengemeinschaft

Gleichstellung der Frauen im Sorgerecht der Familie

Liebe Schwestern und Brüder,

ich habe meine Kinder- und Jugendzeit in den 50er und 60er Jahren mit sechs Geschwistern auf einem Bauernhof verbracht. Es gab bei uns zu Hause eine Frage, die stand in jeder Tür, die lief die Treppen rauf und runter, rannte über den Hof, schaute aus fast allen Fenstern. Jede und jeder von uns Geschwistern führte sie fast täglich im Mund. Drei Worte nur hatte diese Frage, aber für uns waren sie lebensnotwendig. Und diese allgegenwärtige Frage lautete: „Wo ist Mama?“ Wenn wir aus der Schule kamen und den Tornister in die Ecke warfen: „Wo ist Mama?“ Hatten wir uns gestritten und manchmal richtig gefetzt, dass die Tränen in die Augen stiegen, dann liefen wir nach Hause: „Wo ist Mama?“ Gab es eine gute Nachricht, freuten wir uns über eine besondere Leistung, gute Noten in der Schule, dann musste sie es zuerst erfahren: „Wo ist Mama?“

Egal, was passierte in unserem Leben, ob Freude oder Anstrengung, Ermüdung oder Erholung, abends in der Erntezeit nach mühevoller Arbeit, wenn wir Gesprächspartner brauchten oder einen Abladeort für Probleme und Konflikte, immer war da diese Frage: Wo ist Mama?

Und sie stand zur Verfügung.

Auch später noch, im Studium an fernen Orten oder irgendwo verheiratet, ob am Telefon oder nach Monaten mal wieder zu Besuch, immer noch zuerst diese Frage: Wo ist Mama?

So war das noch in den 50-er und 60er-Jahren. Die Mütter waren die Seele der Familie, und die Rollenaufteilung war klar. Die Männer waren beruflich tätig und brachten das Geld nach Hause. Die Frauen waren zuständig für den Haushalt und die Kinder. In den ländlichen Regionen galten die drei K`s „Kinder, Küche, Kirche.“ Noch bis 1960 mussten die Frauen die Männer um Erlaubnis fragen, wenn sie den Führerschein machen wollten und bis 1977 musste der Ehemann als sog. Haushaltsvorstand die Einwilligung geben, wenn die Frau einer gewerblichen Arbeit nachgehen wollte.

Heute geht man von der allgemeinen Anerkennung der Gleichberechtigung von Frau und Mann aus, weil mutige Frauen dafür gesorgt haben, dass sie im Artikel 3 des Grundgesetzes festgeschrieben wurde mit folgendem Wortlaut: „Männer und Frauen sind gleich-berechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Die Frauengemeinschaft Deutschlands weist in ihrer Patronatsaktion 2021 darauf hin, dass wir von der Umsetzung dieses Artikels noch weit entfernt sind. Noch immer verdienen Frauen für die Verrichtung genau der gleichen Arbeit wie die Männer im Durchschnitt 21 % weniger als die Männer.

In diesem Jahr geht es sehr stark um die Gleichberechtigung in der Sorge z.B. der Familie bezüglich der Kinder, aber auch z.B. der älteren Menschen. Wie sieht es damit aus? In Ehevorbereitungskursen erlebe ich häufig, dass die jungen Paare sich fest vornehmen, dass beide sich die Sorge gleich aufteilen, da ja in der Regel auch beide berufstätig sind.

Natürlich sind heute auch, dass vielfach junge Väter Kinderwagen schieben, was für die Generation meines Vaters einen völligen Imageverlust bedeutet hätte. Tatsache ist aber, dass trotz anderer Planungen 80 % der Arbeit im Sorgerecht von den Frauen getan wird.

Darum hat der Bundesverband der Frauengemeinschaft den „Gleichstellungstag im Sorgerecht“ auf den 29. Februar gelegt. Die Aussage ist: So selten wie dieser Tag im Kalender vorkommt.so unsichtbar ist die Arbeit der Frauen zu Hause.

In der Frage der konkreten Umsetzung der Gleichberechtigung der Frauen gibt es sowohl für den Gesetzgeber wie auch für die Planung in den einzelnen Familien noch viel zu tun.

Auch für die katholische Kirche gibt es viel zu tun. Wir leben nicht mehr vor zwei Jahrtausenden, da nicht nur in Palästina, sondern in den allermeisten Kulturen der Grundsatz galt, die Frau sei dem Manne untertan. Damals hatten nur Männer Leitungsämter. Und Jesus war der erste, der für die Gleichstellung der Frau im Orient eintrat, z.B. beim Ehebruch, als er nicht duldete, dass die Frauen bestraft wurden und die Männer frei blieben. Er hat mit vielen Frauen auf Augenhöhe kommuniziert. Die Kirche könnte heute das Problem des Priestermangels sehr schnell lösen, wenn wahrnähme, dass es in so vielen Frauen Berufungserfahrungen gibt, die Sehnsucht also, das Leben ganz in den Dienst Gottes stellen zu wollen. Die Kirche kann doch nicht daran vorbei sehen, dass der Heilige Geist mit seinem Ruf in den Seelen von Frauen heute vielleicht stärker wirkt als in denen von Männern. Immer wieder lese ich Berichte von hochqualifizierten Frauen, auch Ordensfrauen, die darunter leiden, dass sie es wahrscheinlich zu Lebzeiten nicht mehr erleben, dass Frauen ordiniert werden. Aber wie sagte kürzlich eine von ihnen: Ich beteilige mich nicht mehr an der ganzen Debatte. Offensichtlich geht es nur darum, dass die Männer die Macht nicht verlieren wollen. Im Innern sage ich mir: Gott hat mich schon längst geweiht. Amen.


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Ein Gedanke zu „Predigt vom 6.2.2021 – Gleichstellung der Frauen

  1. Lieber Ulli.
    Eigentlich nur ein Satz zu deiner Predigt :
    So ist es!!!

    Liebe Grüße und schön von dir zu hören und natürlich zu lesen.
    BRIGITTE

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