Predigt vom 24.12.2022 Heilig Abend

Jenseits von Betlehem

Liebe Schwestern und Brüder,

Jenseits von Betlehem, so überschreibt eine führende europäische Wochenzeitung ihre Adventsausgabe 2022, die Neue Züricher Zeitung.

2000 Jahre lang sind die Sinnantworten in unserem Teil der Welt von der Menschwerdung von Betlehem ausgegangen. Heute verblassen sie, weil die Christen jährlich weniger werden. In Deutschland machen sie nicht mal  50 % aus und die Austritts-Zahl steigt in diesem Jahr wohl dramatisch. Und auch diese 50 % leben jenseits von Betlehem, sind weitgehend säkularisiert. Prognosen sagen, dass in 20 Jahren eine neue Glaubens-Inbrunst auch in den katholischen Ländern die Führung übernehmen wird, der Islam.

Wo bleiben wir dann mit unseren existentiellen Fragen, die da lauten: Wozu das ganze Leben? Woher kommen wir als Menschen? Wer will, dass wir leben? Wohin gehen wir, wenn wir sterben? In meiner Kindheit waren die  Antworten noch sonnenklar. Vom Himmel hoch, da komm ich her und dahin kehre ich eines Tages  zurück. Und dazwischen habe ich auf dieser Erde den Willen Gottes zu tun.

Und heute? Da scheint der Himmel verschlossen. Vom Himmel hoch, da kommt nichts mehr. Ein Wort Gottes scheint die Menschen kaum noch zu erreichen, wie es in der Samuelgeschichte heißt.

Und doch bleibt die Sehnsucht, die existentiellen Grundfragen bleiben, und ich weiß keine andere Antwort, als ich sie in meiner Kindheit gelernt habe. In seinem Gedicht „Die Reise aus dem Morgenland“ beschreibt der englische Dichter T.S. Eliot den Weg der drei Könige als lebenslange mühselige Reise des Menschen durch Jammer-Täler und über qualvolle Berge. Und am Ende fragt Eliot: Wo kommen wir an nach all den Jahren der Mühe? War es eine Reise zu einer Geburt oder zu einem Tod? Ich hatte sie für verschiedenes gehalten, Geburt und Tod; jetzt weiß ich, sie sind dasselbe, eine schmerzhafte Geburt wie ein Tod, wie unser Tod.

Jenseits von Betlehem. Nein, Betlehem ist überall, wo Menschen geboren werden oder sterben. Betlehem ist auch auf der Intensivstation.

Wenn man das Sterben eines nahen Menschen miterlebt hat, dann begreift man das. Weil man unwillkürlich denkt: der Mensch kann doch nicht einfach weg sein; der hat doch hier ausgeatmet, um an anderer Stelle wieder einzuatmen, neu geboren zu werden in den endgültigen Raum der Liebe hinein.

Betlehem ist nicht jenseits, es ist der Raum dazwischen, ist unsere Welt, in die immer noch Gott hinein geboren wird. Und wir haben die Aufgabe ihn zum Leben zu bringen, die betleheminischen Felder dieser Erde endlich zu Feldern des Friedens zu machen; in dieser Wendezeit 2022/23 mehr denn je.

Ab sofort  ist hier Betlehem und deshalb jeder einzelne Mensch aufgefordert, seinen Lebensstil zu überdenken. Jeder sinnlos verschwendete Tropfen Wasser zählt, jedes weggeworfene Butterbrot, jede überheizte Wohnung. Denn wo soll denn Veränderung anfangen, wenn nicht bei mir persönlich. Im Augenblick baden die Menschen vor allem auf den dunklen Kontinenten, etwa in Afrika, die Katastrophe aus, weil dort jetzt schon ganze Landstriche wegen Perma-Dürre oder ständiger Überflutung nicht mehr bewohnbar sind.

Angesichts dieser Verhältnisse der Völker im Dunkeln hat Bert Brecht in seiner Moritat von Macki Messer aus der Dreigroschenoper von einer Haifischgesellschaft gesprochen und das Zitat aus der Lesung von Jesaja in dieser Heiligen Nacht aufgegriffen und singt:

 Und der Haifisch, der hat Zähne
 Und die trägt er im Gesicht
 Und Machbeath, der hat ein Messer
 Doch das Messer sieht man nicht.

Und die einen sind im Dunkeln
Und die andern sind im Licht,
und man siehet die im Lichte,
die im Dunkeln sieht man nicht.

Die Jesajavision ist nie Wirklichkeit geworden, meint Bert Brecht. Also doch Jenseits von Betlehem? Jenseits von Eden?

Nein, wir sind mitten drin im Garten Eden, der Schöpfung, die  wir in weiten Teilen immer noch als Paradies bewahren können. Und wir sind mitten drin in Betlehem. Mit Jesus können wir Licht ins Dunkel bringen.  Z.B. auf den dunklen Kontinent dieser Erde, der nicht darum dunkel ist, weil die Menschen dort dunkle Hautfarbe haben, sondern weil er gerade mal mit 2 % am Bruttosozialprodukt der Welt beteiligt und Opfer des grenzenlosen Haifischkapitalismus ist. Sie Frau Feldmann und diese Bildungsstätte pflegen Kontakte nach Madagaskar und stoßen wie viele andere auch Projekte des Lichts an auf diesem dunklen Kontinent und damit sind sie mittendrin in Betlehem.

Wenn der Tag die Nacht vertreibt
Und das Eis die Sonne spürt,
wenn ein Licht den Weg uns zeigt
und die Angst die Macht verliert…
dann hat der Himmel die Erde berührt,
und unsere Erde den Himmel gespürt.


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