Predigt vom 22.1.2023 – Todsünden der zivilen Menschheit

2023-01-22-3._So._i._J.- Mt 4, 12-17

Thema: Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit

Liebe Schwestern und Brüder,

Wir begehen in diesem Neuen Jahr ein nachdenkliches Jubiläum. Vor 50 Jahren, im Jahre 1973, war ich noch im Studium. Wir Studenten waren damals wie vom Donner gerührt, als der Verhaltensforscher und Nobelpreisträger Konrad Lorenz sein Werk: Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit, veröffentlichte. Darin präsentiert er Forschungsergebnisse, die Vorgänge untersuchen, die seiner Meinung nach zur Dehumanisierung der Menschheit und zur Verwüstung des Planeten Erde führen.

Als solche Todsünden nennt er die Überbevölkerung, die Verwüstung des Lebensraums, die Indoktrination durch die Werbung, die Medien oder Autokraten, den genetischen Verfall, den Wärmetod des Gefühls, das Abreißen der Tradition, den Wettlauf des Menschen mit sich selbst, die nukleare atomare Vernichtungsindustrie.

Es war uns damals, als käme Mose mit den zehn Geboten erneut vom Sinai und riefe in das Volk hinein: Hört endlich auf mit eurem Tanz um das goldene Kalb, mit diesem grenzenlosen Wirtschaftswachstum und dem sich ständig steigernden Konsumrauch. Kehrt endlich um, sagt Jesus im heutigen Evangelium, das Himmelreich ist nahe. Das heißt doch: Es reicht, Neuorientierung ist nötig.

Auf zwei dieser Todsünden möchte ich näher eingehen: Den „Wettlauf des Menschen“ mit sich selbst und den „Wärmetod des Gefühls“. Immer mehr schaffen, arbeiten, produzieren, immer höher, weiter schneller, das ist der Wettlauf des Menschen mit sich selbst. Der ständige Konkurrenzkampf zerreibt den Menschen, dehumanisiert ihn.

Lorenz spricht von der Verhausschweinung des modernen Menschen. In seinen Feldstudien hatte er beobachtet, dass etliche Schweinerassen sämtliche Freilandeigenschaften, Instinkte und Reflexe verloren haben. Sie sind nur noch beschränkt auf die einzige Fähigkeit, Fleischlieferant für den Menschen zu sein. Aus einst fröhlichen Tieren wurden Fleischmaschinen. Und Lorenz meint: Was da mit den Tieren geschieht, ist eine reale Gefahr auch für den Menschen. Auch er werde mehr und mehr reduziert auf die Lebensdimensionen von Produzieren, Arbeiten und Konsumieren. Die FreilandInstinkte für Weisheit, für Gottesbewusstsein, für Geborgenheit und Schönheit der Natur gingen mehr und mehr verloren. Von da aus ist es nicht mehr weit zur nächsten Todsünde der zivilisierten Menschheit, dem „Wärmetod des Gefühls.“

Starke Gefühle wie Verzweiflung auf der einen Seite oder starkes Glück auf der anderen Seite werden eingeebnet durch eine materielle Verweichlichung, die gefördert wird durch fortschreitende Technologie und durch die Pharmakologie. Wer nicht mehr bereit ist zu entbehren, der kann auch nicht mehr tiefe Freude empfinden. Praktisch gesagt: Wenn das ganze Jahr Weihnachten ist und du jederzeit Marzipan in Fülle bekommen kannst, dann wachsen Langeweile und Unlust.

Wenn Menschen nicht mehr fähig sind, über ihre Gefühle zu sprechen, dann werden sie immer egoistischer. Dieser Egoismus sei bereits eingezogen in die Genetik des zivilisierten Menschen. Darum nennt er eine weitere Todsünde den „genetischen Verfall.“

Heute fragt man sich, warum wurde so wenig auf diese Propheten gehört, wo doch diese acht Grundprobleme sich 50 Jahre später fast irreversibel verschärfen und z.B. in der Verwüstung des Klimas und der anderen Lebensräume kaum noch Chancen zur Rettung bestehen. Diese sog. Zeitenwende macht deutlich, dass es zu diesem Aufruf „Kehrt um“ keine Alternative gibt; wandelt euch durch ein neues Denken, Ändert euren Lebensstil. Also das, was Sie hier in der Fastenoase versuchen, ist die Herausforderung unserer Zeit. Das Himmelreich ist nahe, es reicht, es geht nicht mehr weiter so.

Wir alle erleben, wie schwer das im politischen und wirtschaftlichen Bereich ist, wenn man nicht mal ein Tempolimit auf der Autobahn hinbekommt.

Kehrt um, im religiösen Sinne heißt das: Besinnt euch auf eure Freilandeigenschaften des Glaubens und das Leben ändert sich wie von selbst. Begreift, dass ihr euch nicht im zweidimensionalen Käfig von Leistung und Konsum zu Tode rennen müsst, dass ihr in diesem Käfig nicht verhausschweinen müsst. Ihr habt den Instinkt für die dritte Dimension, für die Höhe und die Tiefe. In dieser vertikalen Beziehung seid ihr mit euren Leben fest angeschlossen an ein grenzenloses Leben, aus dem ihr mit eurer Geburt gekommen seid und in das ihr mit dem Tod zurückkehrt. Dann wird endgültig zerschmelzen, was uns von uns selbst und von anderen Menschen trennt. Dann ist das Himmelreich in Vollendung da.

Sie, die sie zu dieser Fastenoase versammelt sind, wie hören Sie den Ruf: Das Himmelreich ist nahe, kehrt um? Warum sind Sie bereit, das Leben neu zu orientieren? Weil sie genau spüren, dass der Mensch nicht allein leben kann von dem, was er im Laden kaufen kann, sondern von der Gemeinschaft unter Menschen, die Sie in diesen 12 Tagen als tragend erleben oder auch von der Begegnung mit dieser Tiefen- und Höhendimension, mit Gott? Ich möchte Sie einfach nur mit dieser Frage in den Sonntag schicken.


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Ein Gedanke zu „Predigt vom 22.1.2023 – Todsünden der zivilen Menschheit

  1. Sehr geehrter Herr Pfarrer Auffenberg,
    vielen Dank für Ihre ansprechende Predigt.
    Ich habe eine Frage. Was darf ich unter
    „Freilandeigenschaften des Glaubens“ verstehen?
    Dieser Satz erinnert mich an „Gewähre mir Handlungsspielraum
    damit ich Dir und dem Universum besser dienen kann“ aus dem Gebet
    „Ehre sei Dir oh Erzengel Michael“.
    Gerne höre ich von Ihnen und sag schon mal Dankeschön,
    Gertrud Gai-Hofbaur

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