Predigt vom 12.6.2022 – Dreifaltigkeit

Geist der Wahrheit

Schrifttext Joh 16, 12-15

Liebe Schwestern und Brüder,

Was hat es auf sich mit dem Geist der Wahrheit, von dem Johannes hier spricht?

Eine evangelische Pfarrerin (Morgenandacht) erzählte, dass sie in ihrem Gemeindehaus einen Sprachkurs leitet, an dem Afghanen, Syrer, Chinesen, Iraker, Rumänen, Bulgaren, Jesiden und noch Menschen anderer Nationen teilnehmen. Eines Tages machte sie mit dieser Gruppe einen Bummel durch die Einkaufszone ihrer Stadt. Als sie an der Kirche vorbeikamen, wollte die Gruppe hinein. Die Pfarrerin erklärte die einzelnen Elemente der Kirche. Irgendwann versammelten sich alle um den Taufstein. Eine Muslima lehnte sich auf den Beckenrand und sprach ganz ruhig den Satz zur Pfarrerin: „Es gibt doch nur eine Wahrheit.“

Aber wo liegt die Wahrheit? Meinte die Frau, sie liegt im Islam?
Dann wird es mir schlecht, wenn ich gleichzeitig realisiere, dass Dschihadistische Gruppen vor sieben Tagen, am Pfingstsonntag bei einem katholischen Gottesdienst Dutzende von friedlichen Kindern, Frauen und Männern brutal niedergeschossen haben. Nein, nein, sagte die Pfarrerin, das meinte die Muslima nicht. Sie meinte vielmehr die eine Wahrheit jenseits unserer menschlichen Interpretationen und religiösen wie konfessionellen Fixierungen.
Und die Pfarrerin sagt: Ich glaube das auch, dass es nur einen Gott gibt.

Dass wir Gott denken müssen jenseits unserer konfessionellen Fixierungen habe ich einmal sehr existentiell erfahren.  Ich war zum  Taufgespräch bei einer Familie. Als ich nach der Konfession fragte, stellte sich heraus, dass sowohl der Vater wie auch die Mutter aus der Kirche ausgetreten waren. Die beiden Paten waren nie Mitglied einer Kirche. Ich schlug mein Heft zu und sagte: Ich kann ihr Kind nicht taufen.

Die christliche Erziehung ist nicht gewährleistet. Aber die Mutter ließ nicht locker. Sie wollte das Kind getauft haben. Als ich mich erheben und rausgehen wollte, stand die Mutter auf, schlug mit der Hand auf den Tisch und sagte: Dieses Kind wird getauft und wenn ich dafür bis zu Nordpol laufe. Ich setzte mich wieder hin und begann ein ruhiges Gespräch über ihre Gründe. Sie erzählte, wie schwierig die Schwangerschaft war und wie gefährdet ihr Leben und das des Kindes.  Am Ende sagte sie: Und dass wir beide da sind und es uns einigermaßen gut geht, da muss einer von oben die Hände mit im Spiel gehabt haben. Da dachte ich: Die Frau hat eine religiöse Erfahrung gemacht, sie braucht eine absolute ewige Sicherheit. Genau darum muss ich das Kind taufen. Und wenn das formalrechtlich nicht stimmt, dann sollen sie das im Himmel regeln.

Das ist der Geist der Wahrheit bei Johannes. Jesus verabschiedet sich zwar, aber etwas von ihm und vom Vater bleibt in uns. Denn Dreifaltigkeit sagt ja, Gott ist in sich selbst Kommunikation, Beziehungsgeschehen. Wir glauben nicht an drei Götter, wie Theologen anderer Religion den Christen manchmal vorwerfen, sondern an einen Gott, der sich uns in drei Existenzweisen mitteilt, als liebender Vater und Mutter, solidarischer Weggefährte und Bruder auf Augenhöhe und als die Geisteskraft und Wahrheit. Auf die wir leben oder sterben können.

Manche Theologen sagen heute, wir brauchen eine andere Sprache von Gott. Dreifaltiger Gott, das versteht keiner mehr. Sie schlagen vor, von Gott in Bildern zu sprechen

  • Quelle meines Lebens, Urgrund meiner Liebe, Tiefe meines Wesens, Atem des Kosmos, Urgrund des Lebens.

Ich möchte den personalen Bezug nicht aufgeben. Ich kann von Gott in Bildern reden, aber mit Gott??? Es fällt mir schwer, Du Urgrund des Lebens, sieh meinen Schmerz, Atem des Kosmos höre mein Schreien. Geht das?

Vielleicht kann ich nicht gerade sagen Dreifaltiger Gott. Aber ich muss zu Gott „Du“ sagen können: Liebender Vater, sieh meinen Schmerz, Bruder Jesus, höre mein Schreien, Geist der Liebe atme in mir.

Dies sind meine Wege, auf denen ich zu Gott finde.

Und  stimmt es trotzdem: Es gibt nur eine Wahrheit, und vielleicht nur einen Gott und verschiedene Wege zu ihm? Also für mich ist klar, dass da am Ende meines Lebens Jesus steht und mich abholt, aber ich bestreite doch niemandem, dass für ihn da Allah ist oder Wischnu.

Wichtig ist, dass wir uns einig sind im gemeinsamen Ziel, das nach Gandhi heißt Frieden in Gott.

Der Wiener Theologe Zulehner hat den Satz geprägt:
wenn es einen Gott gibt, dann ist jede und jeder eine und einer von uns.

Es wird keinen Frieden in der Welt geben ohne den Frieden zwischen den Religionen. Wir müssen lernen zu sagen, es ist nur eine Welt, es ist nur ein Gott und der Gott der Muslime ist auch unser Gott. Wenn wir den gemeinsamen Gott haben, dann sind wir eine Familie Gottes, wir sind alle Ebenbilder Gottes.

Dann haben wir, wie Johannes XXIII schon vorbildlich zum Konzil hin formuliert hat, ein Zusammenspiel aller Menschen guten Willens. Das hält die Welt in Zukunft zusammen.


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